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1251 - Die Heilige und die Hure

1251 - Die Heilige und die Hure

Titel: 1251 - Die Heilige und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Brühe landete.
    Sie ließ los, fiel - und schaffte es.
    Mit beiden Füßen zugleich setzte sie etwa in der Mitte des alten Kahns auf. Er fing an zu schaukeln, aber ihr kam zugute, dass er nicht so schnittig war, sondern eher einem schwerfälligen Nachen glich und deshalb nicht so leicht kenterte.
    Julie war nach dem Auftreffen zusammengesackt, aber sie hatte sich weder etwas verstaucht noch geprellt. Mit beiden Händen winkte sie mir zu. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie in ihrer Eile die Reisetasche vergessen hatte.
    Ich schlitterte die restlichen drei Stufen herab, pendelte für einen Moment über dem Boot und sprang ebenfalls. Julie hatte mitgedacht und sich ans Heck des Bootes gesetzt.
    Ich landete nicht im Wasser!
    Recht hart erwischte ich die Planken, sackte dabei auch in die Knie, merkte, wie das Boot schwankte, aber es krängte nicht so weit über, dass ich das Gleichgewicht verlor und ins Wasser klatschte.
    Auf dem schwankenden Kahn fand ich mein Gleichgewicht und die Übersicht schnell wieder. Die ließ mich nach den beiden Rudern greifen, die im Boot lagen.
    Julie war damit beschäftigt, den Kahn zu lösen. Er hing an einem Tau fest, dessen zweites Ende wieder an einen in der Hauswand steckenden Haken geschlungen war.
    Julie hatte geschickte Finger. Ich brauchte ihr nicht zu helfen, um den Knoten zu lösen.
    »Wir können«, sagte sie und stieß sich mit beiden Händen von der grünlichen Hauswand ab. Dabei schaute sie auch in die Höhe, aber es blickten keine Gesichter aus dem Wohnungsfenster.
    Ich ruderte bereits.
    Die Mitte des Kanals war erreicht. Ich hockte auf dem Brett der Ruderbank in der Mitte des Kahns, während Julie an mir vorbei zum Haus hinschaute.
    »Noch immer nichts zu sehen, John.«
    »Dann haben wir wohl Glück gehabt.«
    »Ja, hoffentlich.«
    Ich pullte, was meine Arme an Kraft hergaben.
    Wohin uns dieser Fluchtweg führte, war mir unbekannt, denn von der Stadt Gent kannte ich so gut wie nichts. Da musste ich mich schon auf Julie Ritter verlassen.
    Das Wasser war alles andere als klar. Die Ruderblätter durchwühlten eine grünliche Brühe. Abfall wurde in die Höhe gewirbelt und trieb ebenfalls durch das Wasser.
    Julie veränderte ihre Haltung. Als sie an mir vorbei in Richtung Bug kroch, gelang es mir, einen Blick in ihr Gesicht zu werfen. Der Ausdruck war zwar gespannt, aber die Furcht hatte abgenommen. Sie machte jetzt einen entschlossenen Eindruck.
    »Hast du was gesehen?« Ich sprach und ruderte zugleich.
    Julie hielt inne und stemmte ihre Hände auf die schmutzigen und feuchten Planken. »Nein, habe ich nicht. Die Bullen scheinen unseren Fluchtweg noch nicht entdeckt zu haben.«
    Ich lächelte ihr zu, obwohl ich ihren Optimismus nicht teilte. Noch waren wir nicht außer Sichtweite. Ich musste noch eine Strecke rudern, um das Ende der beiden Häuserzeilen zu erreichen, denn danach veränderte sich die Landschaft. Da wurde sie zur Natur. Trauerweiden standen an den Ufern.
    Sie hatten ihre Blätter verloren, aber auch die langen, oft bis zum Wasser herabhängenden Zweige würden uns Deckung geben. Zudem wandte sich das Bett des Kanals ein wenig nach links.
    Julie hatte meinen Blick bemerkt. Ich musste erst gar keine Frage stellen, sondern erhielt sofort die Antwort. »Der Kanal durchschneidet einen kleinen Park. Wir werden auch bald unter einer Brücke herfahren müssen.«
    »Sieht ja nicht schlecht aus.«
    Sie hob die Schultern. »Mal sehen, wie es weitergeht.« Plötzlich zuckte ihr Arm in die Höhe, und sie deutete an mir vorbei.
    »Sie sind da!«
    Ich ruderte weiter. Schneller ging es nicht mehr, schon merkte ich es an meinen Armen, was ich mir antat. »Was tun sie?«
    »Bisher nichts. Sie schauen aus dem Fenster.«
    »Können Sie uns sehen?«
    Julie rümpfte die Nase. »Leider, John. Aber ich habe trotzdem Hoffnung, denn sie kennen uns nicht. Wir können für sie auch einfach nur zwei Kahnfahrer sein.«
    »Dann drück uns mal die Daumen.«
    Ich legte mich wieder in die Riemen. Das Wasser schien zu einer zähen Masse geworden sein. So sehr ich mich auch anstrengte, ich schaffte kein schnelleres Tempo.
    Aber wir kamen voran, und ich atmete auf, als ich sah, dass die ersten Bäume in meinem Sichtkreis auftauchten. Getäuscht hatte ich mich nicht. An den Ufern wuchsen tatsächlich Trauerweiden, die aussahen wie gewaltige Pilze. Diejenigen Weiden, die nahe am Ufer standen, wuchsen teilweise zum Wasser hin, als wollten sie sich vor dem Kanal verbeugen. Ihre dünnen Arme berührten

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