1251 - Die Heilige und die Hure
Geld im Spiel war. Blutgeld, Sylvia. Ja, das ist Blutgeld gewesen, und du hast es kassiert.«
»Ich habe es doch nicht gewusst.«
»Und jetzt ist es zu spät.«
»Bitte, Julie, verzeih mir. Ich selbst fühle mich so unglücklich. Ich weiß, dass mein Leben einen Riss bekommen hat. Ich wünschte mir, dass all dies nur ein Traum ist, aber das ist es wohl nicht.«
»Nein, das ist es nicht, Sylvia. Ich weiß nicht, was mit mir noch alles passiert, aber ich werde immer an dich denken, und ich wünsche mir, dass du mit dir und deinem Gewissen ins Reine kommst.«
»Ich werde es wohl nie schaffen.«
»Es liegt an dir.«
»Sie braucht es nicht zu schaffen«, sagte der dritte Templer, der plötzlich neben Julie erschien. »Wir haben schon für alles gesorgt.«
Plötzlich war der Albtraum wieder da. Julie sah die Waffe in der Hand des Mannes, sie bekam auch mit, wie er seinen Arm anhob. Sie riss den Mund auf, sie wollte den Mann anschreien, und sie wollte sich auch nach vorn werfen, um ihm in den Schussarm zu fallen.
Es blieb beim Versuch.
Der Templer war schneller, hob die Waffe an und schoss Sylvia aus kurzer Distanz in den Kopf.
Julie sah noch das erschreckte Gesicht der Freundin, die im letzten Augenblick erkannt hatte, welches Schicksal da auf sie zukam, aber es war zu spät.
Der Kugel konnte sie nicht entgehen. Und so blieb der erschreckte Blick auch noch bestehen, als Sylvia schon tot war. Auf ihrer Stirn zeichnete sich das Kugelloch ab, das einen rötlichen Rand bekommen hatte.
Der Mörder rammte die Tür zu.
Es hörte sich an, wie das harte Zufallen eines Sargdeckels…
***
Julie Ritter konnte nicht mehr denken, sie sah auch nicht, was mit ihr geschah, denn sie war einfach nur apathisch geworden und ging zwischen den beiden Templern her wie eine Gefangene, die zu ihrer Hinrichtung geführt wurde.
Sie musste eine Leiter hoch, was sie auch automatisch tat. Man drückte ihren Kopf nach unten. Danach wurde sie in einen sehr engen Raum geführt und in einen Sessel gesetzt. Jemand fummelte in Höhe der Hüften an ihr herum. Dabei entstand ein klickendes Geräusch, und erst jetzt wurde sie wieder wach.
Sie hob den Kopf!
Damit verbunden war auch eine Rückkehr der Erinnerung. Es war auch jetzt für sie kaum zu glauben, aber sie konnte die Tatsachen auch nicht ungeschehen machen.
Sylvia Servais lebte nicht mehr. Sie war eiskalt erschossen worden, und Julie war Zeugin gewesen.
Erst jetzt traf sie der Schock. Julie spürte Eiswasser in ihren Adern. Sie zitterte, sie klapperte mit den Zähnen, ohne es zu wollen. Sie spürte einen sauren Geschmack im Mund, verkrampfte die Hände ineinander, musste wieder schlucken und starrte ins Leere.
Der Tod und das Leben lagen so nahe. Egal, was ihre Freundin auch verbrochen hatte, ein derartiges Schicksal hatte sie nicht verdient. Das war zu grausam und zu unmenschlich.
Jemand ging an ihr vorbei und warf ihr einen knappen Blick zu. Sie sah nichts. Sie hörte auch nichts, obwohl sie sich nicht allein in der Kabine befand.
Die grausamen Erfahrungen zu verkraften, das war einfach zu viel für Julie.
Dann hörte sie ein typisches Geräusch, das entsteht, wenn die Triebwerke eines Flugzeugs angelassen werden. Auch jetzt war ihr alles egal. Sie nahm es stoisch hin, dass die Maschine langsam anrollte, immer mehr Fahrt aufnahm und schließlich abhob.
Julie wurde in ihren weichen Sitz gedrückt. Sie schloss die Augen, sie gab sich dem Gefühl des Fliegens hin und wünschte sich dabei, ihrem Leben davonfliegen zu können.
Einfach nur weg. Egal, wohin. Auch in die Vergangenheit. Dann hätte sie aus ihr hervor versucht, das rückgängig zu machen, was in der Gegenwart geschehen war.
Das war nicht möglich, und so öffnete sie ihre Augen irgendwann wieder.
Jetzt erst merkte Julie, wo sie sich befand. Dass sie in einem Flugzeug saß, war klar, aber es war keine normale Maschine, sondern eine wesentlich kleinere. Dafür war sie luxuriöser ausstaffiert.
Breite, mit Leder bezogene Sessel, die sich drehen und kippen ließen. Tische, die am Boden fest geschraubt waren, eine gut gefüllte Bar im Hintergrund, das alles sah nicht nur gediegen, sondern auch sehr teuer aus.
Ein Privatjet. Einer, der geleast werden konnte. Für Manager an der Tagesordnung.
Und jetzt auch für sie!
Nein, das konnte und wollte sie nicht zulassen. Hier lief alles verkehrt. Hier fühlte sie sich nicht wohl. Man hatte sie gezwungen, und man würde sie…
Es waren Schritte zu hören. Hinter ihrem Rücken.
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