1251 - Die Heilige und die Hure
Kahn auch weiterhin über das Wasser rutschte. Wenn das so weiterging, würden wir an der Treppe vorbeigleiten.
Was mit dem Motorboot geschah, interessierte mich jetzt nicht. Ich wusste nur, dass auch unsere Gegnerlangsamer werden mussten, um nicht gegen die Mauer zu rammen.
Der Haken stand so weit vor, dass ich ihn fassen konnte. Er bestand aus einem längeren waagerechten Stück, das dann im rechten Winkel nach oben abknickte.
Ihn musste ich zu fassen kriegen.
Dass sich das andere Boot in unserer Nähe befand, erwies sich plötzlich als Glücksfall. Es hatte durch seine Fahrt die entsprechenden Wellen produziert, und die rollten von der Backbordseite gegen unseren alten Kahn. Sie waren so stark, dass sie unser Boot in die entgegengesetzte Richtung schleuderten und damit direkt gegen die Mauer.
Das war die Gelegenheit, die ich beim Schopf packte. Das heißt, beim Haken. Mit beiden Händen umklammerte ich ihn. Ich stemmte mich dabei mit meinem Gewicht gegen die Fahrt des Kahns.
Und die Treppe war zum Greifen nah.
Das Boot schaukelte noch auf den Wellen. Wir hatten nicht die Zeit, so lange zu warten, bis es sich beruhigt hatte. Wir mussten weg.
»Raus!«, rief ich Julie zu.
Sie stand. Sie schwankte dabei, aber sie verlagerte ihr Gewicht günstig nach vorn und hatte noch Glück, dass sie nicht über den Bootsrand stolperte, als sie auf die erste Stufe der Treppe sprang, die durch die Wellen leicht vom Wasser überspült wurde und deshalb noch glatter als sonst geworden war.
Das dünne, rostige Eisengeländer streckte sich an der linken Seite her, in die Höhe. Ich hatte es erst jetzt zur Kenntnis genommen, aber Julie hatte es auch gesehen und hielt sich fest.
Sie konnte weglaufen!
Ich befand mich noch immer auf dem alten Kahn. Julie war nicht mehr wichtig für mich, jetzt ging es um mich und natürlich auch um die verdammten Baphomet-Templer.
Sie hatten den Motor abgestellt. Die restliche Geschwindigkeit reichte aus, um unseren Kahn zu erreichen.
Ich stieß mich ab, trat noch einmal auf den Rand und merkte, dass der Kahn unter mir wegrutschte.
Im letzten Moment bekam ich die Kurve und sprang auf die Treppe.
Ausgerechnet ich rutschte weg. Der grüne Schlick auf dem Gestein reagierte wie weich gewordenes Eis. Ich fiel nach vorn, als hätte mir von hinten jemand die Beine weggesäbelt.
Bevor ich auf die Kanten der Stufen prallte, schoss mein linker Arm auf das Geländer zu, das ich auch zu fassen bekam. Mir gelang es, mich fest zu halten, aber ich rutschte trotzdem weit weg und fiel auf den Bauch. Nur war der Aufprall nicht zu hart.
Die Gegner im Rücken zu wissen, war auch nicht meine Sache. Julie Ritter hatte bereits das Ende der Treppe erreicht. Sie schrie mir etwas zu, was ich nicht verstand, weil ich einfach unter einem zu großen Stress stand.
Auch hinter mir hörte ich Stimmen. Da wurde ein heiser klingender Befehl geschrieen. Ich lag praktisch wie auf dem Präsentierteller. Jedes Kind hätte mir eine Kugel in den Rücken schießen können.
Wieder einmal kam mir die Zeit so verdammt lang vor, aber alles lief schnell ab. Ich drehte mich noch im Liegen, kam dann auf die Beine und sah das Boot mit den Templern vor mir.
Sie waren nicht allein. Sie hatten ihre Doggen mitgebracht, deren hartes Bellen mir gar nicht gefiel.
Allerdings hatten auch die Templer mit den Tücken des Objekts zu kämpfen, denn das Motorboot schwang einfach zu stark von einer Seite zur anderen.
Unser Boot war durch den Aufprall zerstört worden. Reste schwammen auf den Wellen. Die Templer hatten nicht normal anlegen können. Das Wasser war zu unruhig, und sie waren auch nicht so nahe an der Treppe, als dass sie von Bord aus hätten auf sie springen können.
Ich sah drei dunkel gekleidete Gestalten. Böse, vor Wut verzerrte Gesichter. Hunde, die verrückt spielten, weil sie nicht freigelassen wurden, aber das alles juckte mich nicht.
Ich hetzte die Stufen hoch.
Jeweils zwei auf einmal, die Hand dabei immer am Geländer, und auch jetzt schoss niemand hinter mir her.
Julie stand längst oben und wartete auf mich. Fast wäre ich ihr noch in die Arme gefallen. Ich rutschte auf dem feuchten Boden etwas nach vorn, bevor ich mich drehte.
Wer immer den Templern den Auftrag erteilt hatte, uns zu fangen, er hatte verlangt, dass wir lebendig waren, denn niemand hielt eine Waffe in der Hand, um hinter uns herzuschießen. Sie hetzten auch nicht die Hunde auf uns, und sie selbst hatten es noch immer nicht geschafft, mit dem Boot
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