1253 - Aufbruch nach Erendyra
verriet. Meinster trat auf die unterste Stufe. Die Treppe setzte sich sofort in Bewegung. Meinster sah sich um und stellte erleichtert fest, daß Mirandola Cainz ihm folgte.
Unangefochten passierten sie die Hülle des energetischen Feldes. Es war, als träten sie durch einen Vorhang. Und jenseits des Vorhangs lag eine Welt so voller Unordnung, daß sich Doran Meinster unwillkürlich die wenigen Haare sträubten, die er auf der runden Kuppe seines Schädels trug.
Ob Grosznik einen Vornamen besaß, wußte niemand. Er hieß eben Grosznik. Um so sicherer war dagegen, daß er einen Beinamen trug: der Sammler. Grosznik, der Sammler, war in den vergangenen Wochen zu einem Begriff an Bord der EXPLORER geworden. Wo und wann auch immer das Virenschiff einen Planeten anflog: Grosznik war der erste von Bord und gab sich bis wenige Sekunden vor dem Start seiner Sammelwut hin. Er sammelte alles: Pflanzen, Tiere, Mineralien. Sogar Luftproben hatte er mitgenommen. Das Schlimmste war - wenigstens sah Doran Meinster die Sache so -daß seine Sammelwut ansteckend wirkte. Hunderte von Vironauten taten es Grosznik nach, und nach insgesamt vier Planetenanläufen gab es Teile der EXPLORER, wie Schuttabladeplätze oder unaufgeräumte Museen wirkten - je nachdem, aus welcher Perspektive man die Dinge betrachten wollte.
Hier und dort inmitten des Wirrwarrs, der sich Meinsters entrüstetem Blick darbot, waren noch die Umrisse von Einrichtungsgegenständen zu erkennen, die das Virenschiff aus seiner Substanz für die Bequemlichkeit des Plattformbewohners erschaffen hatte. Aus einem Berg getrockneter Pflanzenteile ragte eine Wand, hinter der ohne Zweifel die privateren Abschnitte der Wohnung des Sammlers verborgen lagen. Ansonsten war die gesamte Plattform mit Sammelgut bedeckt. An manchen Stellen lag es nur knietief, an anderen türmte es sich zu ansehnlichen Hügeln.
Wenn Grosznik sammeln ging, ließ er sich von der Seele des Schiffes ein Fahrzeug anfertigen, mit dem er die Objekte seiner Sammelwut gleich tonnenweise abtransportieren konnte. Daher erklärten sich Umfang und Reichhaltigkeit seiner Sammlung, die Doran Meinster allerdings eher als eine Kombination von Schrott, Trümmern und Müll betrachtete. „Wo steckst du, Grosznik?" rief er ungeduldig, nachdem er sich inmitten des Durcheinanders vergebens nach dem Sammler umgesehen hatte. „Immer mit der Geduld?" antwortete eine knarrende Stimme irgendwo aus den Tiefen des Chaos. „Was willst du überhaupt?"
Es widerstrebte Meinster, sich mit einem Unsichtbaren zu unterhalten. Aber irgendwie mußte er sich schließlich seines selbsterteilten Auftrags entledigen. „Mir ist zu Ohren gekommen, daß in deiner Wohnung unhygienische Zustände herrschen", schrie er, wobei er sich mühte, seiner Stimme einen möglichst autoritären Tonfall zu verleihen. „Wie ich sehe, ist mir korrekt berichtet worden. Als Obmann ..."
„Von wem?" fuhr ihm der Unsichtbare in die Parade. „Von...", begann Meinster, korrigierte sich jedoch sofort: „Das spielt hier keine Rolle. Als Obmann..."
„Ah, ich weiß schon!" drang es hinter einem Berg von Sammelgut hervor. „Das war die Ziege, die ich neulich zu einem Becher Vrnat eingeladen habe. Dachte mir, ich könnte vielleicht bei ihr was werden - häßlich, wie sie war. Dürr wie ein Gerippe, blaß, zuviel Knochen im Gesicht, kleiner Mund..."
„Hör auf, meine Lebensgefährtin zu beleidigen!" schrie Meinster voller Wut. „Sie hat mir wahrheitsgetreu berichtet..."
„Lebensgefährtin, wie?" lachte Grosznik. „Da hat der eine die andere verdient. Paß mal auf, mein lieber ,Obmann, ich will dir etwas sagen..."
Der Berg geriet in Bewegung. Eine ganze Ladung buntgefärbter Steinplatten rutschte zur Seite und stürzte polternd zu Boden. Aus den Trümmern hervor kam ein Männchen zum Vorschein, das in die chaotische Umgebung paßte wie das Gelenk in die Pfanne. Grosznik hatte graues, strähniges Haar, das ihm unordentlich bis auf die Schulter herabhing. Unter der hohen Stirn war ein Paar leuchtend blauer Augen angesiedelt, deren offener, intelligenter Blick unwillkürlich entwaffnend wirkte. Die kleine Knollennase hatte im Lauf der Zeit und unter der Mitwirkung etlicher tausend Becher Vrnat eine bläulichrote Färbung angenommen. Der Mund war breit, aber dünnlippig. Bekleidet war der Sammler mit einer zerschlissenen Jacke, die vorne offenstand und die graubehaarte Brust sehen ließ, und einer abgeschabten Hose, die um die Hüfte herum mit einem Strick an
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