1259 - Spinnenpest
nicht«, erklärte der Reporter. »Warum hätte man das tun sollen? Schauen Sie sich um. Auf den anderen Gräbern stehen die Kreuze noch. Für mich muss es einen anderen Grund geben, dass man auf ein Kreuz verzichtet hat. Und wenn mich nicht alles täuscht, dann hängt es mit diesem Pfarrer zusammen. Mit ihm persönlich, um noch genauer zu werden.«
Das sah Cathy Tucker nicht so. »Ich bitte Sie, Bill. Was wollen Sie dem Mann anhängen?«
»Gar nichts. Ich habe nur laut nachgedacht. Es ist ungewöhnlich, und ich bleibe dabei, dass es mit Alec Potter persönlich etwas zu tun hat. Aber ich bin ein Fremder. Sie leben hier, Cathy, und eigentlich müssten Sie es besser wissen.«
»Nein, das weiß ich eben nicht.« Sie regte sich auf. »Himmel, der ist viel zu lange tot. Potter ist Vergangenheit. Darüber müssen auch Sie sich klar werden. Ich bin nur da, um das Grab zu pflegen.«
»Einfach so, nicht?«
»Ja.«
»Haben Sie sonst keinen Grund?«
Cathy verdrehte die Augen und zeigte sich unleidlich. »Ich kann es einfach nicht zulassen, dass so etwas hier auf dem Friedhof zurückbleibt. Tut mir Leid. Einer muss sich schließlich um das Grab kümmern. Da habe ich mich bereit erklärt.«
Bill lachte plötzlich, was Cathy irritierte, denn sie blickte ihn erstaunt an und fragte: »Was ist denn mit Ihnen los?«
»Pardon, aber ich musste plötzlich an etwas denken. Es ist mir einfach in den Sinn gekommen.«
»Was denn?« Sie wich einen Schritt vor dem Reporter zurück.
Bill wollte sie durch sein Lächeln beruhigen. »Kann es nicht sein, dass dieser von allen so verehrte Pfarrer vielleicht zu einem Schutzpatron für den Ort geworden ist? Dass man ihn eben als eine besondere Person verehrt?«
Cathy Tucker überlegte. »Als einen Heiligen? So etwas wie ein Schutzpatron? Ich weiß nicht, ob Sie da richtig liegen, Bill. Wovor sollte er uns hier schützen?«
»Vor schlimmen Dingen, zum Beispiel vor Unbill, das auf die Menschen in Irfon zukommen kann. Das ist alles möglich. Er wäre zudem nicht der Erste, dem so etwas nach seinem Tod widerfährt. Oft gibt es Menschen, die ziemlich abseits leben und richtig Angst haben, Cathy. Davon habe ich auch schon des Öfteren gehört. Ich denke deshalb, dass auch der Pfarrer eine wichtige Rolle in der Vergangenheit gespielt hat, deren Auswirkungen bis in diese Zeit hineinreicht.«
Er hatte die junge Frau bei seinen Worten nicht aus den Augen gelassen und sehr wohl die Veränderung bemerkt, die mit ihr vorgegangen war. Sie wirkte nervös und wusste nicht so recht, wohin sie noch schauen sollte. Die Lippen lagen fest zusammen, dann ruckte ihr Kopf wieder hoch, und sie schaute Bill an.
»Das haben Sie doch nicht einfach dahergesagt, Bill. Da steckt doch mehr dahinter.«
»Was soll dahinter stecken?«
»Von Schutz«, sagte Cathy schnell, »von der Angst der Menschen. Irgendwas ist nicht richtig. Sie haben sich nur nicht so ausgedrückt, wie es hätte sein sollen. Sie halten noch einiges zurück, Bill. Kann ich ja verstehen, aber ich möchte erfahren, was Sie genau damit gemeint haben.«
»Sie müssten es auch wissen, Cathy.«
»Was denn?«
»Dass hier etwas passiert ist, verdammt. Ja, hier ist etwas geschehen. Ich kann es nicht ändern, aber ich habe Ohren und kann hören. Man hat über Irfon gesprochen.«
»Wer oder wo?«
»In der Umgebung.«
Bill hatte einiges zugegeben, aber wenig gesagt. Allerdings reichte das Wenige aus, um Cathy Tucker unsicher zu machen. Sie wusste nicht, was sie Bill antworten und wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte.
»Denken Sie darüber nach«, rief er ihr zu.
Cathy stand bei ihm und ballte die Hände zu Fäusten. »Was wissen Sie eigentlich?«
»Viel zu wenig.«
»Sagen Sie es!«
»Ich habe nur etwas gehört und weiß nicht, ob es der Wahrheit entspricht, aber es könnte so sein. Man hat davon gesprochen, dass in Irfon ein Unglück passiert ist. Hier soll wieder eine Seuche ausgebrochen sein, die man längst vergessen hat. Man spricht von der Pest. Und es soll sogar Menschen gegeben haben, die davon angesteckt wurden. Wie gesagt, Cathy, ich gebe nur das wieder, was ich erfahren habe. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen.«
Die junge Frau schwieg. Aber sie war angespannt, das sah Bill ihr an. Ihr Gesicht hatte sich gerötet.
Zugleich konnte sie die Unsicherheit nicht überspielen.
»Habe ich Recht?«
Er erwischte Cathy auf dem richtigen Fuß, denn sie nickte und erschrak über sich selbst. »Nein, nein, Sie haben nicht Recht.
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