126 - Luziferas Horror-Maske
ehe er die Finca erreichte.
Bevor er das offene Tor passierte, warf er einen Blick zurück. Es war ihm so
vorgekommen, als hätte sich Juanita Molino an seine Fersen geheftet. Aber
hinter ihm bewegte sich niemand. Ringsum war alles stumm. Auch im Haus rührte
sich nichts.
„Hallo, Hans?“, rief Rickert laut.
Niemand reagierte. Der Mann sah sich um, und
sein Blick fiel nach rechts zu den maschendrahtumzäunten Ställen. Rickert sah
die Ziegen. Im ersten Moment wurde ihm jedoch nicht bewusst, was er da
eigentlich registrierte. Die Tiere lagen flach auf dem Boden und rührten sich
nicht. Da sie keinerlei Reaktion zeigten, als er sich wieder in Bewegung
setzte, näherte er sich den Verschlagen. Er fuhr zusammen. Die Tiere - waren
verendet. Ihre Hälse waren seltsam verrenkt, als hätte ein brutaler Mensch sie
herumgedreht. Diese Ziegen waren nicht geschlachtet worden. So schlachtete man
keine Tiere. Man hatte - sie ermordet...
Rickert merkte, wie ihn fröstelte. Er ging an den Verschlagen vorbei und näherte sich dem
Maschendrahtzaun, hinter dem er ein Huhn erkannte. Es lag ebenfalls auf dem
Boden. Mit ihm war das Gleiche passiert wie mit den Ziegen. Ihm war der Hals
umgedreht worden. Rickert ging in die Hocke und spähte durch das Mauerloch, das
in der Schuppenwand gähnte. Auch dort lag ein totes Huhn. Rickert stieg
kurzerhand über den Zaun, hinter dem die Ziegen lagen. Er berührte sie
nacheinander. Die Körper waren noch warm. Beinahe magnetisch zog ihn der
Eingang des Schuppens an. ln ihm befanden sich das überdachte Schlafhaus der
Hühner und die Boxen für die Schweine. Auch diese Tiere lagen da, mit
verdrehten Hälsen. Was war hier passiert?
Rickert fühlte sich äußerst unwohl. Er lief
zum Haus zurück, wo hinter einem Fenster unruhig flackerndes Kerzenlicht zu
sehen war. Der Mann spähte durch die Scheiben. Die fadenscheinigen Vorhänge
verbargen nicht viel. Er blickte in eine primitiv eingerichtete Wohnküche. Sie
war leer.
Dann klopfte er an. Als sich immer noch
niemand meldete, drückte er kurzerhand die Klinke. Die Tür war nicht
abgeschlossen. Modrig riechende Luft schlug ihm entgegen.
„Hallo? Ist da jemand? Hans ... bist du da
drin?“
Seine Stimme hallte durch das alte Gemäuer
und verebbte, ohne dass eine Antwort auf seine Frage erfolgte. Martin Rickert
war einzige gespannte Aufmerksamkeit, als er die Diele passierte und mit dem
Fuß die Tür zur Wohnküche aufstieß. Blitzschnell überblickte er den leeren
Raum. Auf dem Tisch sah er zwei Trinkgläser, eines davon war noch halbvoll mit
Orangensaft. Was ihm ebenfalls sofort ins Auge fiel, waren der verrutschte Ofen
und das aus der Wand gerissene Rohr. Rickert sah auf dem steinernen Boden
dunkle Flecke. Sie waren klebrig als er vorsichtig einen Finger hineintauchte:
Blut!
Hier war etwas Grauenhaftes passiert. Der
einsame Besucher war alles andere als ängstlich, aber mit jeder Minute, die er
länger in dem seltsamen Haus verbrachte, wurde ihm mulmiger zumute. Rickert
lief zur anderen Tür. Diese ließ sich normal öffnen. Dahinter lag das
Schlafzimmer. Die Tür nebenan war aber verschlossen. Der Eindringling rüttelte
heftig an der Klinke und trommelte mit den Fäusten gegen die Tür. „Aufmachen!
Hans - wenn du da bist, melde dich ...“
Rickert nahm einen Anlauf und warf sich dann
gegen die Holzverkleidung. Die überstand den Ansturm nicht, flog nach innen und
krachte gegen die Wand. Rickert taumelte durch seinen eigenen Schwung in den
Raum. Dieser war dunkel, die Luft darin schlechter. Hier war seit Jahren nicht
gelüftet worden. Durch das von den flackernden Kerzen herrührende Streulicht
sah er, dass es mitten im Raum so etwas wie ein Podest gab. An den Wänden
hingen seltsame Bilder in alten, schweren Rahmen. Noch ehe Rickert drei
Schritte zurückging und sich eine Kerze vom Tisch nahm, machte dieser
fensterlose Raum den Eindruck eines kleinen Privatmuseums auf ihn. Das Podest
mitten im Raum, nur dreißig Zentimeter hoch, etwa einen Meter im Quadrat,
bestand aus schwarzen Steinen und erinnerte an einen Altar. Was die sonstigen
Gegenstände an den Wänden bedeuteten, darüber rätselte er lange. Zu erkennen
waren sie auf Anhieb. Offenbar handelte es sich um ganz persönliche Dinge, die
die einsame Bewohnerin dieser Finca im Lauf ihres Lebens gestohlen - oder als
Geschenk erhalten hatte. Teller, Tassen, verbogene Löffel hingen ebenso an der
Wand wie hölzerne Tiere und Spielzeuge, ein alter Handschuh, ein Strumpf eine
Hose waren an
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