126 - Luziferas Horror-Maske
plötzlich.
Bei genauerem Hinsehen war in der Tat ein
schwacher Lichtpunkt zu sehen. Wenn er aber hier unten wahrnehmbar war,
bedeutete dies, dass Luzifera zahlreiche Kerzen angezündet hatte.
Pedro Molino antwortete nichts mehr darauf
und arbeitete weiter, um voranzukommen.
„Vielleicht sollten wir mal nach dem Rechten
sehen“, ließ Juanita sich unvermittelt wieder vernehmen.
„Kommt nicht in Frage. Mich kriegen da keine
zehn Pferde hoch.“
„Dann werde ich ...“
„Untersteh dich! Wenn ihm etwas zugestoßen
ist, können wir nichts daran ändern. Ich möchte nicht, dass auch du spurlos
verschwindest.“
Juanita warf den Kopf in den Nacken und lief
bis zum Ende des Hofes.
Unruhe und Verwirrung erfüllten sie. Der
Gedanke, dass dort oben ein Mensch in Gefahr geraten war, setzte sich fest in
ihr. Sie ballte ihre schlanken, schmalen Hände zu Fäusten und presste die Lippen
so fest zusammen, dass sie einen harten Strich in ihrem Gesicht bildeten.
Juanita war hin und her gerissen zwischen Neugier und Furcht. Geh niemals in
diese Finca, hörte sie die mahnenden Worte und dabei ängstlich klingende Stimme
ihrer Mutter in ihrem Bewusstsein. Von Kind auf war sie darauf eingeschworen
worden. Jedes Kind in Elmusio wurde mit diesem Gedanken geimpft: Dort oben
hauste etwas Grässliches ... die alte Hexe war gefährlich, schickte Krankheit,
Tod und Verderben ... Niemals hatte jemand gewagt, sich dem verwitterten
Gebäude zu nähern. Selbst die Mutigsten nicht. Die Furcht saß tief. Im Ort
kümmerte sich niemand um die Alte. Man ließ sie links liegen. Sie selbst lief
täglich einmal durch den Ort, aber die Menschen versteckten sich vor ihr und
wollten ihrem Blick nicht begegnen ...
Während sie sinnierte, vernahm sie das
Näherkommen von Motorengeräusch. Juanita Molino drehte den Kopf. Die staubige,
dunkle Straße entlang fuhr ein beiger Mercedes und steuerte genau auf die
Werkstatt zu. Der Mann am Steuer war salopp gekleidet und trug eine helle
Sommerhose und ein blaues, dezent gemustertes Hemd. Der Fremde fuhr bis dicht
an die Spanierin heran, überschaute mit einem Blick den Hof das aufgebockte
Auto und stieg aus.
„Buenos grüßte er knapp. „Mir scheint, hier
bin ich vollkommen richtig. Das rote Auto, der Ford, gehört meinem Freund. Hans
Mendeler. Kann ich ihn sprechen?“
Der Mann war blond und schlank, eine
sportliche Erscheinung. Er war Deutscher, sprach aber ein ausgezeichnetes und
richtig betontes Spanisch. „Mein Name ist Rickert, Martin Rickert“, stellte er
sich vor. „Heute Nachmittag hat Hans Mendeler mich angerufen und mir von seinem
Pech erzählt. Ich lebe in Malaga ... Sobald ich freimachen konnte, bin ich
losgefahren. Kann ich Senor Mendeler bitte sprechen? Wo ist er jetzt?“
„Außer Haus. Er wollte einen Besuch machen.“
Juanita deutete zu der Finca auf den Hügel.
„Ja, das hat er mir erzählt“, bemerkte der
Fünfunddreißigjährige. „Soll ne komische Geschichte sein mit der Bewohnerin,
wie er durchblicken ließ. Wie lange ist er denn schon dort oben?“
„Drei Stunden.“
„Vielleicht will er die Finca kaufen, wie?
Trau ich ihm zu. Verrückte Ideen hat er schon immer gehabt. Aber dass er sich
so tief in die Provinz abseilen will, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.
Ich fahr mal rüber." Rickert machte auf dem Absatz kehrt um in seinen
Wagen zu steigen.
„Fahren geht nicht. Es führt nur ein schmaler
Eselspfad zur Finca.
„Bueno, dann lauf ich. Schadet mir bestimmt
nicht nach der Fahrt.“
„Bleiben Sie hier!" Juanita Molino hielt
den Mann aus Malaga am Arm fest.
Martin Rickert kniff die Augen zusammen. „Ich
bin von Natur aus neugierig. Wenn wirklich etwas an dem Gerede dran sein
sollte, ist es erst recht meine Pflicht, ihm auf den Grund zu gehen. Vielleicht
braucht mein Freund Hilfe, wer weiß ..."
Der große Blonde ließ sich nicht
zurückhalten. „Meinen Wagen lass ich in Ihrer Obhut. Ich bin gleich wieder
zurück.“ Er durchquerte den Hof und verschwand im Dunkeln.
Juanita Molino lief dem unerwartet
aufgekreuzten Besucher noch einige Schritte nach.
„Zurück!“, forderte Pedro sie auf. „Untersteh
dich, ihm zu folgen!“
„Aber ich kann ihn doch nicht mit offenen
Augen in sein Unglück rennen lassen...“
Sie lief bis zur Toreinfahrt, lehnte sich
dort gegen die raue Mauer und starrte dem Mann nach, dessen helle Hose noch aus
dem Dunkeln leuchtete.
Mit weit ausholenden Schritten überquerte
Martin Rickert das Feld. Zehn Minuten dauerte es,
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