1267 - Das chinesische Grauen
es.
Irgendwann hatte sie sich an den Schmerz gewöhnt. Es klappte wieder besser mit der Atmung. Sie sah nach vorn und erkannte die dunkle Gestalt, die dabei war, sich aufzuraffen.
Es war der Typ mit der Seidenschlinge, der seine Waffe noch immer festhielt.
Ich muss ihn kriegen!, dachte Shao. Obwohl sie nicht in besonderer Form war, dachte sie nicht im Traum daran, aufzugeben. Sie wartete so lange, bis sich der Typ aufgerichtet hatte und dann zur Seite drehte, um an sie heranzukommen.
Shao schrie auf.
Sie warf ihr rechtes Bein in die Höhe, sprang mit dem linken vom Boden hoch und wuchtete das rechte in einem Halbkreis auf den Kerl zu.
Er bekam den Tritt voll mit. Sein Gesicht wurde getroffen. Ein lautes Gebrüll hallte in ihren Ohren.
Der Mann wusste nicht mehr, was er tat. Er taumelte nach vorn, riss die Hände vors Gesicht, prallte noch gegen einen Stapel und sackte dort zusammen.
Ob er ausgeschaltet war, wusste Shao nicht. Sie wollte sich auch nicht um ihn kümmern, weil sie sich selbst als wichtiger ansah, und natürlich auch die Frau, die so geschrieen hatte.
Der Killer mit der Seidenschlinge stöhnte, als Shao an ihm vorbeilief. Er war zu sehr mit seinem Gesicht beschäftigt, als dass er die Frau wahrgenommen hätte.
Der andere befand sich in den Fängen der Bewusstlosigkeit, und Shao bekam Gelegenheit, sich um das Opfer der üblen Typen zu kümmern. Sie wusste, dass sie schnell sein musste, und sie riss mit einer heftigen Bewegung den Knebel vom Mund weg.
Geräusche, die wenig menschlich klangen, wehten ihr entgegen. Die Gefangene hielt den Mund weit offen, ihre Augen waren verdreht, sie schnappte nach Luft, und Shao lächelte ihr einfach nur zu. Sie hätte auch gern mit ihr gesprochen, nur war das nicht möglich, denn sie war nicht in der Lage, zu sprechen.
Shao kümmerte sich als Nächstes um die Fesseln. Sie saßen ebenfalls verdammt fest. Die andere Seite hatte keine dicken Stricke genommen, sondern ein sehr dünnes Band, das zudem noch verknotet war. Shao stand kein Messer zur Verfügung, sie musste ihre Hände einsetzen, und das war schwer genug.
Aber sie schaffte es, die Fesseln zu lockern, und auch das Stöhnen war für sie Antrieb genug. Aber sie bekam die Fesseln nicht auf, und so musste sie praktisch zu einer Gewaltmaßnahme greifen. Sie zerrte die gefesselte Frau in die Höhe und wuchtete sie über ihre linke Schulter. Zum Glück war der Körper leicht genug, und Shao zählte zudem noch zu den kräftigen Personen.
In dieser Stresslage wuchs sie noch mehr über sich hinaus. Sie war ebenfalls angeschlagen, aber daran dachte sie gar nicht. Sie wollte nur raus aus diesem verdammten Lager, und das bevor die beiden Typen wieder erwachten.
Es war dunkel. Schattenhaft sah sie die Umgebung. Aber sie orientierte sich anhand des kleinen Fensters, denn genau dort musste sich auch die Rückseite befinden, und Shao ging davon aus, dass sie da auch eine zweite Tür fand. Die bestellten Waren wurden bestimmt nicht durch das Geschäft geschleppt und dann in das Lager gestellt. Eine derartige Mühe machte sich niemand.
Shao keuchte nicht nur wegen des Gewichts und der damit verbundenen Anstrengungen. Sie selbst litt ebenfalls noch unter dem Angriff, aber ihr Wille war darauf ausgerichtet, die Flucht zu ergreifen und die junge Frau in Sicherheit zu bringen.
Beinahe hätte sie gejubelt, als sie die Tür sah. Die schmale Lichtleiste war also keine Täuschung gewesen, und die letzten Schritte stolperte Shao auf die Tür zu. Sie merkte; dass sie die Frau nicht mehr lange halten konnte, aber sie riss sich noch einmal zusammen und betete, dass die Tür nicht abgeschlossen war.
Sie war es nicht. Shao konnte sie aufreißen. Beinahe wäre sie noch von ihr am Gesicht getroffen worden. Sie spürte noch den Luftzug, als die Türkante vorbeihuschte.
Der nächste Schritt brachte sie nach draußen, und es war für sie wie ein Sprung in die Freiheit.
Plötzlich war die Luft wieder normal, und Shao holte sofort tief Atem. Sie schwankte dabei. Das Luftholen schmerzte zudem, sie konnte auch nicht normal gehen und taumelte mit unsicheren Schritten weiter.
Die Umgebung tanzte vor ihren Augen, und so sah sie nicht, wohin sie ihre Füße setzte. Sie hatte nur Glück, dass sie nicht über die eigenen Beine stolperte, sah irgendwo einige Kisten und Mülltonnen stehen und ließ sich dort niedersinken. Es war mehr ein Fallen, und sie schlug auch schwer auf, aber sie war der Hölle entkommen und hatte es auch geschafft, die
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