127 - Das Aruula-Projekt
Handfeuerwaffe auf Aruula, einen so genannten Driller. Maddrax besaß auch so ein Ding, und Aruula kannte die verheerende Wirkung der Geschosse.
So musste sie hilflos mit ansehen, wie Crow eine Art Messer aus dem Gürtel zog und an Zwilling herantrat. Er setzte das glänzende Ding an ihre Schläfe, schob es fast ohne Widerstand in ihren Kopf und drehte es.
Mit einem leisen Seufzen fiel ihr Ebenbild in sich zusammen. Doch aus der Wunde an der Schläfe floss kein Tropfen Blut!
Aruulas Augen weiteten sich. Das seltsame Messer hatte ein kreisrundes Stück Haut… geöffnet; anders konnte sie es nicht benennen. Dahinter glänzte kein rohes, blutiges Fleisch, sondern – ein Loch.
Sie schwindelte, als sie den wie tot daliegenden Zwilling erreicht hatte. Das Schwert entglitt ihrer Hand und klirrte zu Boden. Sie beugte sich herunter und sah ungläubig auf die Verletzung.
Da war Metall, und da waren Drähte. Das Loch schien künstlich angelegt, denn es hatte saubere Ränder mit kleinen Vertiefungen, in die ein Deckel eingepasst werden konnte – ein Deckel, der jetzt samt des Messers vom Kopf abstand.
»Was – was ist das?« Ein Schauer lief ihr über den ganzen Körper, und sie meinte, ihr Magen werde zusammen gepresst.
Nur mit Mühe konnte sie ihren Körper unter Kontrolle halten.
»Dein Zwilling ist künstlich«, erklärte Crow mit nüchterner Stimme. »Wir haben ihn geschaffen. Er ist ein Android. Eine fast perfekte Kopie, mehr als nur Mikrochips und Plysterox. Wir haben ihn mit einigen biologischen Komponenten ausgestattet.«
Aruula erhob sich mit einem Schwindelgefühl. »Was… was ist mit ihr geschehen?«
»Sie hat keine geistige Stabilität erringen können. Sie wurde wahnsinnig, genau wie ihre Vorläufer. In allen Experimenten ist es uns nicht gelungen, sie…«
»Sie war nicht die erste?«, unterbrach Aruula, während das Wort Vorläufer hinter ihren Schläfen pochte.
»Die Vierte.« Der Schwarzhaarige trat näher heran. »Die ersten drei wurden ebenfalls instabil, und ihr Wahnsinn endete stets mit einer Selbsttötung in der letzten Phase. Sie waren recht erfinderisch in der Wahl ihrer Methoden.« Sein Zeigefinger spielte nervös am Abzugshahn der Waffe. »Wir haben den Prozess bei Nummer Vier lediglich beschleunigt, denn Nummer Sechs wartet schon auf ihre Fertigstellung.«
»Wo ist Nummer Fünf?«, fragte Aruula.
Als sei es eine Antwort, richteten beide Männer ihre Waffen auf Aruula.
Das war der Moment, in dem sie begriff.
Sie war nicht Aruula, die Kriegerin von den dreizehn Inseln, die Gefährtin von Maddrax.
Sie war nichts weiter als – Nummer Fünf.
***
Der Android, der bis vor Sekunden gedacht hatte, ein Mensch aus Fleisch und Blut und mit einem eigenen Leben zu sein, war von unbändigem Zorn erfüllt.
Er sprang auf Crow zu. Denn Crow war die Wurzel allen Übels. Daran gab es keinen Zweifel.
Die Hand des Kunstmenschen zuckte vor, zielte auf Crows Kehle. Doch sie erreichte ihr Ziel nie.
Der Androide hörte einen Schuss aufdonnern und fühlte einen scharfen Schmerz in der Seite.
Der Aufprall des Explosivgeschosses warf ihn aus der Bahn, schleuderte ihn zur Seite. Neben Crow prallte er auf den Boden und blieb benommen liegen.
Wenn ich künstlich bin, warum empfinde ich dann Schmerz?, fragte er sich. Und der Schmerz war mörderisch, als würde er innerlich zerrissen.
»Was hast du getan?«, brüllte Crow den Schwarzhaarigen an. Es erschien dem Androiden so, als klinge Panik in seiner Stimme mit.
»Keine Angst«, erwiderte der Angesprochene. »Nummer Fünf lebt!« Er trat näher heran und richtete die Waffe auf den Androiden.
Dieser kam mühevoll in eine sitzende Position. Er sah an sich herab, und tatsächlich: Die Kugel hatte ihn in die Leiste getroffen, und unterhalb seiner Hautoberfläche sah er ein schwarzes, nachgiebiges Gewebe. Kein Metall, aber auch kein Fleisch. Schwarzkörniges »Blut« sickerte hervor.
Wenn es noch eines letzten Beweises bedurft hatte, jetzt hatte er ihn: Er war kein Mensch. Er war ein künstlich geschaffenes Ding.
Dann, als er noch von der Erkenntnis gelähmt war, traf ihn ein Schlag mit dem Kolben der Handwaffe des Schwarzhaarigen am Kopf, und er verlor das Bewusstsein.
Nicht ohne sich zu fragen, wieso eine Maschine ein Bewusstsein haben konnte.
***
Crow nickte seinem Assistenten zu.
»Gute Arbeit. Wir werden Nummer Fünf ins Labor bringen und ihre Erfahrungen auslesen. Dann können wir sie auf den kopierten Chip einspeichern und Nummer Sechs endlich
Weitere Kostenlose Bücher