127 - Rosemaries Alpträume
Ich helfe dir! Dorian, wie kann ich dir helfen? Das klebrige Netz zerreißt!"
Margot wußte sich nicht mehr anders zu helfen, als den Körper ihrer Tochter durchzuschütteln. Endlich beruhigte sich Rose. Sie atmete keuchend. Ihr Gesichtchen war totenblaß. Schweiß stand auf ihrer Stirn.
„Ist es vorbei, Liebes?" fragte Margot besorgt und drückte den Körper ihrer Tochter, der schlaff und wie leblos wirkte, an sich. „Geht es dir wieder gut? Ist es vorbei?"
„Ja", sagte Rose mit apathischer Stimme. „Und es ist deine Schuld Mama. Ich war Dorian schon ganz nahe. Ich hätte ihm helfen können Aber du hast ihn verjagt."
Wenige Minuten später war Rose vor Erschöpfung in den Armen ihrer Muttereingeschlafen.
Margot entkleidete sie und brachte sie zu Bett. Dann wählte sie mit zitternden Fingern eine Nummer.
Als es läutete, war Margot sofort an der Tür. Sie hatte kaum geöffnet, da stürmte der Besucher auch schon herein. Er schloß sie kurz in die Arme und tätschelte ihre Wangen.
Margot begann sofort wieder zu weinen.
„Hat sich Rose inzwischen beruhigt?" fragte der Besucher und fuhr fort, ohne eine Antwort abzuwarten: „Es tut mir leid. Ich konnte nicht schneller kommen. Bei uns geht es wieder drunter und drüber. Schon gut, Mädchen. Weine dich nur aus!"
Er führte sie ins Wohnzimmer und drückte sie auf eines der Elemente der Sitzgruppe. Sie ließ alles mit sich geschehen und starrte stumpf vor sich hin.
Der Besucher setzte sich ihr gegenüber nieder und zündete sich mit flatternden Fingern eine Zigarette an. Er war groß und hager, hatte einen dunklen Teint und schwarzgelocktes Haar und war von einer solch hektischen Betriebsamkeit, daß man meinen konnte, in seinen Adern würde statt Blut Quecksilber fließen. Seltsamerweise war seine Nervosität nicht ansteckend, sondern wirkte eher beruhigend. Er war überhaupt ein Mensch der Gegensätze, ein unruhiger Geist, der Ruhe verbreitete, mit einer lauten Stimme, die Zutrauen erweckte, und seine Beredsamkeit schuf das Gefühl der Geborgenheit. Kinder sahen in ihm ihren Spielgefährten, Frauen ihren Beichtvater, Männer ihren Kumpel.
Diese Eigenart kam ihm in seinem Beruf als Betriebspsychologe sehr zugute. Und so war es auch nicht verwunderlich, daß sich Margot sofort an ihn um Hilfe gewandt hatte.
„Der Arzt war gerade hier, Heino", sagte sie. „Er hat Rose ein Beruhigungsmittel gegeben und gesagt, daß sie bis morgen durchschlafen wird. Aber sie ist trotzdem so unruhig, fantasiert und hat Schweißausbrüche. Ich mußte ihr Nachthemd schon zweimal wechseln."
„Tut mir leid, Margot, ich konnte nicht früher kommen", wiederholte Heino Spazzek entschuldigend, als hätte sie ihm einen Vorwurf gemacht.
Er zündete sich eine neue Zigarette an und verzog angewidert das Gesicht, als er feststellte, daß er sie verkehrt herum in den Mund gesteckt und den Filter angezündet hatte.
Margot mußte unwillkürlich lachen.
„Also", sagte Heino Spazzek, „du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Margot. Es wird bestimmt alles wieder gut. Rose hat nur etwas zu viel Fantasie. Das ist alles."
„Aber… "
„Du mißt dem zu viel Bedeutung bei, daß sie angeblich mit einem Jungen in England sprechen kann", unterbrach der Psychologe sie. „Die Erklärung ist doch ganz einfach. Rose findet in ihrer nächsten Umgebung nur schwer Kontakt. Was also tut ein Kind in ihrer Lage? Sie erfindet einen fiktiven Freund, mit dem sie nicht nur spielen kann, sondern der auch ihre Hilfe braucht. Das ist der springende Punkt. Rose hat das Gefühl, daß sie dich zu sehr beansprucht. Deshalb möchte sie selbst jemandem helfen."
„Meinst du?" sagte Margot unsicher. „Aber…“
„Gut, ihr Anfall", schnitt ihr Heino Spazzek das Wort ab, berichtigte sich aber schnell: „Wieso überhaupt von einem Anfall reden? Roses Unterbewußtsein wollte einen Beweis dafür erbringen, daß ihr Freund wirklich existiert und sich auch tatsächlich in einer Notlage befindet und dringend ihre Hilfe braucht. Deshalb ließ sie ihn von irgendwelchen Ungeheuern bedrohen."
„Es waren Fledermausspinnen. Daran erinnere ich mich genau", warf Margot ein. „Wie kommt sie ausgerechnet auf Feldermausspinnen?"
„Genausogut hätten es Elefantenraupen oder geflügelte Eichhörnchen sein können", behauptete Heino Spazzek. „Kinder erfinden die verrücktesten Namen. Und Rose hat eben eine ausgeprägte Fantasie."
„Und glaubst du nicht, daß sie…"
„Hör auf damit!" rief der Psychologe streng.
Er
Weitere Kostenlose Bücher