1271 - Die Geister, die sie rief
zahlreichen kleinen Rinnen verteilte.
Sie sah das wilde Gesicht. Die schiefe Nase, die Flecken auf der Stirn. Sie sah die rissigen Lippen, und sie hörte seine geflüsterten Worte.
»Ich werde die Klinge jetzt langsam von oben nach unten ziehen und deine Fetzen aufschneiden. Danach nehme ich mir die Hose vor. Und dann werden wir zu dritt dorthin gehen, wo wir wirklich ungestört sind. Ich kann dir versprechen, auch du wirst deinen Spaß haben.«
Spätestens jetzt hätte eine normale Frau zu schreien oder zu zittern begonnen. Das traf bei Justine nicht zu. Sliggy merkte das nicht. Er war einfach zu sehr von sich überzeugt.
»Zum letzten Mal. Lass mich los!«, sagte Justine ruhig.
Er lachte. Er holte tief Luft, um richtig ablachen zu können. Seine Hand mit dem Messer zitterte für einen Moment. Sie senkte sich, er wollte das Leder einschneiden, und plötzlich hielt etwas, das Sliggy wie eine Stahlfessel vorkam, sein Gelenk umklammert.
Das Lachen erstickte. Sliggy spürte den Schmerz. Plötzlich veränderten sich seine Gesichtszüge, denn der Schmerz wurde so schlimm, wie er ihn noch nie erlebt hatte. Sein Gelenk setzte dem verdammten Druck so gut wie keinen Widerstand entgegen. Es wurde zerdrückt wie eine weiche Masse, und der Vergleich mit Brei kam ihm in den Sinn.
Dann hörte er etwas knirschen oder reißen. Er stöhnte. Er begann sogar zu heulen, weil er wusste, dass diese Finger sein Handgelenk zerstörten.
Sliggy war nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Was hier geschah, war unmöglich. Er hielt seinen Mund weit offen, ohne zu schreien. Die Tränen verschleierten seinen Blick, aber er sah noch, wie die Blonde vor ihm ihren Mund öffnete.
Es war für Sliggy wie eine Momentaufnahme, in der der Schmerz riss. Er sah klar, er sah auch zwei spitze Zähne, und etwas sorgte in seinem Kopf für eine Erinnerung.
Zu spät. Seine Schmerzen waren stärker. Er kam nicht mehr auf das bestimmte Wort, das ihm durch den Kopf gefahren war. Alles verging plötzlich in einem roten Rausch, der vor seinen Augen hoch stieg.
Justine wollte ihn nicht mehr. Sliggy war für sie kein Gegner, sondern Abfall, den man entsorgte.
Sie riss das rechte Knie in die Höhe und traf ihn knüppelhart im Leib. Zugleich stieß sie ihn von sich weg. Sliggy wurde zu einer torkelnden und tanzenden Puppe, die erst durch eine Mauer aufgehalten wurde. Er prallte dagegen und war nicht mehr in der Lage, sich auf den Beinen zu halten.
So sackte er zusammen, krümmte sich auf dem Boden, schnappte verzweifelt nach Luft und hielt sein verletztes Gelenk mit der freien Hand umklammert.
Justine kümmerte sich nicht um Sliggy. Er konnte froh sein, dass sie ihm nicht das Blut ausgesaugt hatte.
Aber da war noch ein zweiter, und sie glaubte nicht daran, dass dieser sich zurückhalten würde.
In der Tat verschwand er nicht. Er zitterte nur. Er stand breitbeinig da. Die Lampe hielt er jetzt mit beiden Händen wie eine Waffe vorgestreckt. Er keuchte Worte hinaus, die er selbst nicht verstand und die Justine Cavallo nicht verstehen wollte.
Bevor er sich versah, war sie bei ihm. Sie schüttelte sogar leicht bedauernd den Kopf, und dann packte sie zu. Diesmal erwischte sie beide Handgelenke.
Der Schläger kam nicht mehr dazu, einen klaren Gedanken zu fassen. Eine starke Kraft riss ihn vom Boden hoch, aber dabei blieb es nicht, denn Justine machte ihn zu ihrem Spielzeug. Sie drehte sich mit ihm im Kreis, ohne dass er eine Chance hatte, wieder auf den Boden zu gelangen. Sie schleuderte ihn herum und ließ ihn plötzlich los, als sie seiner überdrüssig geworden war.
Sein Schrei zerriss die Stille und hallte als Echo über diesen alten Hinterhof. Dann klatschte er gegen die Mauer und landete vor ihr auf dem schmutzigen Boden, die Lampe, die bisher noch geleuchtet hatte, unter sich begrabend.
Justine war zufrieden. Auch um ihn kümmerte sie sich nicht, denn es hätte auch für ihn noch schlimmer kommen können. Mit einem verletzten Gesicht oder einem Bruch würde er weiterleben.
Für Justine war die Sache erledigt. Sie musste sich den anderen Aufgaben zuwenden, denn die waren wichtiger.
Das Licht war noch immer als gelber Schein hinter dem Fenster zu sehen. Kein Schatten bewegte sich dadurch.
Es war auch niemand an der Tür, der sie öffnete, um nach draußen zu treten.
Justine hatte das Fenster ins Visier genommen und versuchte, in die Hütte zu schauen.
Viel war nicht zu sehen, denn vor dem Fenster hing ein Tuch. Dahinter entdeckte sie
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