1271 - Die Geister, die sie rief
es nicht offen liegen lassen.
Sie ging durch die Hütte und schaute sich um. Das Regal kam für sie nicht infrage. Es gab auch keine verschlossenen Schränke, aber es gab die Truhe, die nahe des alten Sessels stand.
Die Augen der blonden Bestie glitzerten auf, als sie auf den Deckel schaute. Sie war überzeugt, dass sie etwas finden würde.
Ein leiser Fluch huschte über ihre Lippen, als sie das Schloss sah, das Deckel und Unterteil zusammenhielt. Sie brauchte einen Schlüssel, um die Truhe zu offnen. Natürlich hätte sie sie auch zerhacken können, doch das wollte sie nicht.
Wo konnte der Schlüssel sein?
Sie hätte etwas so Wertvolles am Körper getragen, und davon ging sie ebenfalls aus.
Camilla lag noch immer schräg im Sessel. Das Gesicht war dem Kerzenschein zugewandt. Der Mund stand offen und war in eine Schieflage geraten. In den Augen lag kein Glanz mehr, denn der Tod nahm einem Menschen alles. Justine wusste nicht, woran die alte Hexe gestorben war. Es konnte das Herz gewesen sein, das nicht mehr mitspielte, aber sicher war sie sich da nicht.
Es spielte auch keine Rolle. Für sie zählte nur, dass die alte Frau sie nicht mehr störte.
Aus ihrem Mund drang ein Lachen, als sie den Schlüssel zur Truhe fand. Zumindest ging sie davon aus, dass er es war, denn Camilla hatte ihn an einem Lederband um ihren Hals getragen.
Das Band war im Laufe der Zeit etwas brüchig geworden, und deshalb konnte Justine es ohne Probleme zerreißen.
Der glitzernde Metallschlüssel fiel auf ihre Handfläche, und Justine schaute mit glänzenden Augen auf den kleinen Gegenstand.
Sie brauchte etwas Platz und schob die Truhe deshalb ein Stück vom Sessel weg. Der Zwischenraum war jetzt so groß, dass Justine sich hinknien konnte, was sie auch tat.
Mit einer zielsicheren Bewegung führte sie den Schlüssel in das Truhenschloss. Es war noch sehr altmodisch, und der Schlüssel war es natürlich auch.
Sie drehte ihn vorsichtig und wunderte sich darüber, wie glatt es ging. Da hakte und kratzte nichts.
Da war alles okay, Camilla musste die Truhe schon öfter aufgeschlossen haben.
Diesmal war es die blonde Bestie!
Sie konnte es kaum erwarten, den Deckel hochzuklappen. Aus ihrem Mund drangen pfeifende Geräusche, und plötzlich weiteten sich ihre Augen.
Den Zauberstab hatte sie nicht entdeckt. Dafür etwas anderes. In der Truhe lagen zahlreiche Gegenstände. Sie sah kleine Voodoo-Puppen, Pentagramme, alte Kerzen, zwei Kugeln, ein Netz aus Metallfäden und sogar Knochen schimmerten ihr bleich entgegen. Und sie sah eine längliche Schachtel, die auf einem dunklen Tuch lag und aussah wie ein alter Griffelkasten.
Er besaß genau die Länge, die auch ein Zauberstab haben konnte. Vorsichtig hob die Blutsaugerin den Kasten aus der Truhe. Sie drehte sich mit ihm zur Seite und stellte ihn auf dem kleinen Tisch ab, der an einer Wandseite stand.
Die folgenden Sekunden würden entscheiden, ob sie Macht über die Hexen erlangen konnte oder nicht.
Der Kasten war geschlossen. Aber er besaß keinen richtigen Deckel und auch kein normales Schloss. Man konnte das Oberteil aufschieben und kam so an den Inhalt heran.
Sie tat es.
Ein leises Schaben war zu hören. Der Deckel lief glatt in der Fuge zurück. Es gab kein Rucken, kein nichts. Alles lief wunderbar ab, und die blonde Bestie war sehr zufrieden.
Sie schaute in das Unterteil.
Da lag der Stab!
Justine stöhnte vor Glück auf…
***
Der Stab war so lang wie der Kasten. Er bestand aus Metall, das golden schimmerte. Sie glaubte jedoch nicht daran, dass dieser Hexenstab aus Gold gefertigt worden war. Vielleicht hatte man ihn überstrichen, das war auch alles.
Sie nahm ihn vorsichtig hoch und behielt ihn zwischen ihren Fingern. Jetzt erst konnte sie sich so richtig freuen, und auf ihrem Gesicht erschien ein breites Grinsen.
Der Stab war zu leicht, um aus Metall zu bestehen. Es konnte durchaus Holz sein oder sogar aus einem dünnen Knochen, an dessen einem Ende sich eine Kugel befand und an dessen anderem eine Spitze zu sehen war, die allerdings mehr wie ein dreieckiges Pendel aussah.
Justines Blicke glitten über den Stab hinweg, und sie stellte sich schon jetzt die Frage, was Außergewöhnliches daran war. Eigentlich nichts. Er brannte nicht in ihren Händen. Sie spürte keine Wärme, er sah irgendwie so schrecklich normal aus.
Aber das war er nicht. Sie wusste es. Sie hatte ihre Informationen bekommen. Langsam zog sie den Stab durch ihre Finger, doch ihre Gedanken verirrten sich
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