1273 - Poker mit dem Tod
schaute in das verbissene Gesicht des Mannes. »Bitte, Mr. Cameron.«
»Er hat sich als Almedo vorgestellt!«
Ich hielt erst mal den Mund, weil ich meinen Gedanken freien Lauf lassen wollte. Mit diesem Namen konnte ich beim besten Willen nichts anfangen. Der war mir noch nie im Leben untergekommen.
»Überrascht?«
»Sicher.«
»Das war ich auch.«
»Hat er Ihnen denn nicht mehr über sich erzählt? Ich kann mir vorstellen, dass er angeben wollte, um seine Macht zu demonstrieren. Hat er Ihnen die Erfolge nicht aufgezählt?«
»Nein, das hat er nicht. Aber er sagte etwas anderes. Er erklärte mir, dass er aus einem anderen Land stammt.«
»Woher?«
»Spanien!«
»Und was hat er dort alles getan?«
»Überlebt, Mr. Sinclair. Er hat die Jahrhunderte überlebt. Ob Sie es nun glauben oder nicht.. Aber als ich ihn sah, verdammt, da habe ich ihm das auch geglaubt.«
»Ja, das kann ich mir denken.«
»Macht!« flüsterte Julius Cameron und rieb dabei sein linkes Knochenbein, obwohl der Stoff es verdeckte. »Es ging ihm um die Macht, und genau die hat er gehabt. Es war die Macht über die Menschen, die nach seiner Pfeife tanzen mussten. Sie taten immer das, was er wollte. Da war er rigoros und auch eiskalt.«
»Er hat getötet…«
»Das nehme ich stark an.«
»Hat er auch Karten gespielt?«
»Ich weiß es nicht. Er sprach nur davon, dass die Schicksale in seinen Händen gelegen haben. Er konnte bestimmen, was mit den Menschen passierte. Ob er sie nun tötete oder laufen ließ. Das alles hat er über Jahre hinweg getan.«
Allmählich sah ich klarer. Es gab nur wenige Personen, die in Spanien über lange Zeit hinweg die Macht gehabt hatten. Dazu zählte ich nicht nur den König und dessen adlige Hofschranzen, sondern auch die Kirche und deren brutale Vertreter, die Großinquisitoren. Und deshalb fiel es mir leicht zu glauben, dass dieser Almedo ein solcher gewesen war. Allerdings ein falscher, der zwei Seiten diente. Nach außen hin wohl der Kirche und zur anderen Seite dem Teufel und der Hölle.
»Ich denke, wir sind gleich am Ziel«, unterbrach Suko mit seiner Bemerkung meine Gedanken.
»Das stimmt. Sie müssen gleich anhalten!«, sagte Cameron vom Rücksitz her.
Der Friedhof war bereits zu sehen. Oder vielmehr die Mauer. Hier standen keine Häuser, in denen Menschen wohnten, auch nicht auf der anderen Straßenseite, denn dort breitete sich eine verwilderte Grünfläche aus, um die sich kein Mensch kümmerte.
Wir hielten an und sahen vor uns einen kleinen Fiat. Der einzige Wagen, der in der Straße parkte.
Und er stand in der Nähe eines fast gänzlich überwucherten Eingangs, doch genau dort mussten wir hin.
Auch Suko hatte den Fiat gesehen und sich seine Gedanken gemacht. »Es kann sein, dass wir nicht die Einzigen sind, die sich zum Zocken mit dem Tod treffen.«
»Möglich.« Ich löste den Gurt. »Was sagen Sie dazu, Julius?«
»Keine Ahnung. Ich will auch nicht nachdenken. Wahrscheinlich liege ich sowieso falsch.«
Er war ziemlich angefressen, was wir gut verstehen konnten. Suko und ich stiegen aus, und ich kümmerte mich um unseren Fahrgast, denn ich öffnete ihm die Tür.
»Danke, aber Sie brauchen mir nicht aus dem Wagen zu helfen, das schaffe ich schon allein.«
»Bitte, es war nur ein Vorschlag.«
»Noch bin ich kein Krüppel!«, sagte er böse, und es klang auch leicht verzweifelt. »Ich werde mich durchboxen.«
Er ging neben mir her. Von Suko sahen wir den Rücken, weil er schon vor dem Tor stand.
»Hast du was herausgefunden?«
»Ja, John, es ist geschlossen.«
»Dann müssen wir rüber - oder?«
»Kann ich dir noch nicht genau sagen.« Suko, der Fummler und Fan von fremden Schlössern, ging in die Knie, um an einer bestimmten Stelle durch die Stäbe zu schauen. »Ha, ist ein Riegel.«
»Super.«
»Nein, nein, aber von innen.«
»Kommst du trotzdem heran?«
»Das will ich gerade versuchen.«
Suko streckte seine Hand durch den Zwischenraum, um die Kante des Riegels zu erreichen, was er auch schaffte. Er legte die Kuppen von Daumen und Zeigefinger darum und zerrte ihn so kräftig wie möglich nach rechts.
Es tat sich nichts.
Beim zweiten Versuch war ein leises Knirschen zu hören. Suko gab nicht auf, zerrte den Riegel jetzt hin und her.
Julius Cameron stand neben mir. Verbissen schaute er durch die Lücken zwischen den Stäben. Nur war nichts zu sehen. Es gab keinen Hinweis auf ein Pokerspiel oder auf irgendwelche Menschen, die sich in der Leichenhalle versammelt
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