1273 - Poker mit dem Tod
Nerven vibrieren konnten, in seinem Fall musste das so sein. Kleine Stromstöße schienen durch seinen Körper zu rinnen.
»Wie ist das möglich?« hauchte er.
»Durch das Spiel. Durch mich!«
»Ach.« Mit dem Handrücken wischte sich Longo über die Stirn, aber viel Schweiß bekam er nicht weg. Der meiste Schweiß blieb bestehen.
»Du bist doch Spieler, Kid.«
»Das stimmt.« Jetzt lachte Longo, obwohl es nur ein Krächzen wurde. »Aber als Spieler weiß ich auch, dass ich verlieren und gewinnen kann. Der Einsatz hier ist verdammt hoch.«
»Nichts ist ohne Risiko. Wer sein Geld mit Karten verdient, muss sich auf sie verlassen können, sonst ist alles zu spät. Ohne Risiko bist du nie durchs Leben gegangen.«
»Das weiß ich.«
»Wunderbar.«
Longo fühlte sich in die Enge getrieben. Wenn er jetzt aufstand und ging, war die Chance dahin.
Dann würde er nie so viel Geld bekommen wie er es sich hin und wieder in seinen kühnsten Träumen vorstellte. Mengen von Geld. Ein herrliches Leben. Nie mehr auf das Pfund achten zu müssen.
Mit Geld um sich werfen. Die heißesten Bräute an seiner Seite haben und sich die schönsten Plätze der Welt aussuchen können.
Kid Longo war kein junger Mann mehr. Mit 45 hatte man ein gewisses Alter erreicht. Da sollte man schon etwas geschaffen haben. Das war bei ihm auch der Fall, nur reichte ihm das nicht, und so eine Chance bekam nicht jeder geboten.
Also JA!
Aber es gab noch eine andere Seite. Als Spieler wusste er das. Was passierte, wenn er verlor? Wenn der andere Spieler am Tisch bessere Karten hatte?
Dann war es vorbei. Nichts ging mehr. Rien ne va plus. Schluss mit dem Genuss, denn die Karten waren gnadenlos. Er kannte das. Zwar gehörte Longo zu den besten und abgebrühtesten Zockern, aber irgendwo gab es auch für ihn eine Grenze. Sie war nie starr. Mal verlor, mal gewann er, so war das eben im Leben, das einer Fahrt mit der Achterbahn glich.
Alles auf eine Karte setzen!
Er war es gewohnt, aber nie zuvor war der Einsatz so hoch gewesen wie in diesen Minuten, in denen er sich entscheiden musste.
»Hast du dich entschieden, Freund?«
Kid konnte nicht sprechen. Er hatte das Gefühl, einen Kloß in der Kehle zu haben.
Der andere baute ihm eine Brücke. »Denkst du an das Verlieren?«
»Ja, das muss ich als Kartenspieler. Ich muss an das Verlieren denken, verflucht.«
»Dann kann ich dir nicht helfen.«
Genau diesen Satz hatte Kid Longo nicht hören wollen. »Moment, nicht so schnell. Ich weiß jetzt, was ich gewinnen kann, und es reizt mich auch. Aber was ist, wenn ich verliere? Sag es! Was ist mein Einsatz? Verliere ich dann mein Leben?«
»Nichts ist ohne Risiko!«
Longo senkte den Blick. »So habe ich mir die Antwort nicht vorgestellt«, zischte er. »Ich will wissen, was ich verliere.«
»Haha…« Das leise Lachen klang widerlich, aber es machte Kid auch gespannt. »Du verlierst nicht viel. Kennst du die Geschichte des Faust?«
»Ja, ich habe sie gehört. Das war doch der Typ, der seine Seele an den Teu…« Kid konnte nicht mehr sprechen, denn plötzlich ging ihm ein ganzer Kronleuchter auf. Faust war der Mann gewesen, der einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte. Er wusste nicht, wie die Geschichte ausging, aber so schlimm kam ihm ein Verlieren des Spiels nicht mehr vor. Die Seele an den Teufel geben? Was machte das schon? Er hatte nie so richtig an einen Gott geglaubt und hatte sich auch über den Teufel keine großen Gedanken gemacht. Deshalb rechnete er auch nicht damit, dass es sehr schlimm sein würde, wenn er seine Seele an den Höllenherrscher verlor. Außerdem konnte niemand sagen, ob es den Teufel überhaupt gab. Er jedenfalls kannte keinen, der ihn je gesehen hatte. Der Teufel war trotz des realen Ausdrucks immer etwas Undefinierbares, das im Hintergrund schwebte und nicht erfasst werden konnte.
Und da er für ihn nicht so konkret war, spürte er auch kaum Angst, abgesehen von einem gewissen Unbehagen, aber das gab es nun sehr oft in einem menschlichen Leben.
»Erinnerst du dich?«, wisperte die Stimme.
»Ja entfernt.« Kid Longo schluckte, bevor er die nächste Frage stellte. »Bist du der Teufel?«
Er hatte mit einer Antwort gerechnet, aber nicht mit so einer, die er tatsächlich bekam. Er hörte hinter der Scheibe ein Lachen, das er von einem Menschen noch nie wahrgenommen hatte. Es klang widerlich, abgebrüht und abgezockt, dämonisch, wissend und irgendwie auch brutal.
»Bist du es?«
Das Lachen war erstaunt. »Ich bin ein
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