1273 - Poker mit dem Tod
harter Stimme fest. »Ja, du wirst spielen. Du wirst ebenso spielen, wie wir gespielt haben, denn auch du willst an den Jackpot heran - oder?«
»Klar, das will ich schon. Aber…«
»Du sollst die Chance haben. Wir alle sind Zocker. Wir alle haben die Chance gehabt. Almedo gibt sie uns.«
Kid schloss für einen Moment die Augen. Er kannte keine Person mit dem Namen Almedo, aber er brauchte auch nicht lange nachzudenken, um herauszufinden, wer das war.
Es konnte nur der Mann sein, der ihn im Beichtstuhl getroffen hatte. Eine andere Möglichkeit gab es nicht, aber mit dem Namen konnte er nichts anfangen.
»Wer ist Almedo?« fragte er deshalb.
»Einer der ganz Großen«, erwiderte Emilio. »In Spanien hat er seine Unsterblichkeit erlangt. Er war Kartenspieler, Inquisitor und Beichtvater zugleich. Er besitzt das, was man das ewige Leben nennt. Man kann ihn nicht töten. Er spielt weiter. Er hat es immer getan, und nun ist er nach London gekommen. Er pokert mit den Menschen um den Jackpot. Ja, man kann alles gewinnen. Reichtum, Macht…«, Emilio senkte jetzt seine Stimme »… und sogar das ewige Leben. Um das wirst auch du spielen, mein Freund.«
Kid Longo sagte kein Wort. Er war nicht mehr in der Lage dazu. Er konnte Emilio nur anstarren und bemühte sich dabei, nicht auf die rechte Gesichtshälfte zu sehen.
»Verstanden…?«
»Nein.«
»Dein Pech. Wie heißt du?«
»Kid!«
»Okay, Kid, du wirst um dein Leben spielen müssen. Um das ewige Leben, mein Freund.«
Plötzlich konnte Longo nicht anders, er musste lachen, und es war kein normales Lachen, sondern ein wildes und irgendwie störrisches Gelächter, das durch die Leichenhalle hallte.
Es war einfach zu verrückt. Das war nicht normal zu erklären. Das Leben hatte bei ihm eine Bresche geschlagen, und er war genau in diesen Spalt hineingefallen.
Das Lachen verstummte. Er drückte sich auf seinem Stuhl zurück, atmete schwer und flüsterte: »Ich soll spielen. Ich soll um den Jackpot zocken.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, verdammt, das mache ich nicht. Ich habe doch gesehen, was dabei herauskommt. Ich brauche euch nur anzuschauen, dann fange ich damit an, die Karten zu hassen.«
»Es gibt immer zwei Chancen!« erklärte Nick.
Kid starrte ihn an. »Ach ja? Und wie?«
»Wir werden unsere Spiele machen, wenn sich Almedo wieder in unserer Mitte befindet. Und wenn wir gewinnen, dann werden wir wieder so sein wie immer.«
»Das heißt, man sieht euch wieder als normal an. Und weiter…?«
»Spielen wir nach wie vor um den Jackpot!«
Er konnte es nicht fassen. Es war einfach zu hoch für ihn. Das war nicht zu begreifen, aber es war die Realität, da brauchte er sich nur seine Mitspieler anzuschauen.
Josh, der Älteste, nickte. »Ich würde mir an deiner Stelle keine Gedanken machen, Kid. Das Spiel wird laufen, das Spiel muss laufen. Nichts anderes geht mehr.«
Wieder konnte Longo das Lachen nicht zurückhalten. »Bei euch vielleicht, aber nicht bei mir.« Jetzt hatte er die Kraft gefunden, den Stuhl zurückzudrücken und aufzustehen.
Zur Hälfte hatte Kid es geschafft, als sich die Dinge radikal veränderten. Es traf ihn nicht wie der Schlag mit der Peitsche, es ging eigentlich alles recht langsam, und er sah auch nicht, was passierte, aber er hörte und spürte es.
Hinter ihm war die Tür geöffnet worden. Er hatte das leise Schaben genau gehört. Halb stehend drehte er den Kopf, wobei der Stuhl ihm noch immer als leichte Stütze diente.
»Bleib ruhig sitzen, Kid! Seit wann willst du im Stehen pokern?«
Longo schloss die Augen. Zu spät!, durchfuhr es ihn. Es ist alles zu spät. Ich habe einfach zu lange gewartet.
Schwer plumpste er wieder zurück auf die Sitzfläche und hatte diese kaum berührt, als er ein bekanntes Geräusch hörte, das ihm schon in der Kirche aufgefallen war.
Diese Echos beim Gehen…
Das harte Aufschlagen gegen den Steinboden. Aber hier passierte es in der Leichenhalle.
Ein Delinquent auf dem elektrischen Stuhl hätte nicht starrer sitzen können als er. Wieder wurde ihm heiß und kalt zugleich.
Die anderen drei Zocker schauten an ihm vorbei, um denjenigen zu sehen, der kam. Nur Kid wollte sich einfach nicht umdrehen. Er wartete die Sekunden ab, und als die harten Laute verstummten, da wusste er, dass Almedo neben ihm stand.
Der Stuhl direkt neben ihm war leer. Almedo sagte kein Wort. Er schob den Stuhl nur noch zurecht und ließ sich dann darauf nieder.
»Hallo, Kid, ich begrüße dich in dieser Runde!«
Longo
Weitere Kostenlose Bücher