Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
128 - Der Schläfer

128 - Der Schläfer

Titel: 128 - Der Schläfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
Vom Netzwerk:
öfters daran gedacht, Paazival einige getrocknete Teeblätter aus Coellen für sein heißes Wasser zu überlassen, doch war er stets davor zurückgeschreckt.
    »Der sprechende Geist meines Grandlords aus Salisbury will Kontakt mit mir aufnehmen«, improvisierte Rulfan und stand langsam auf. »Halte mir die Burschen ja in Schach«, flüsterte er Eve Neuf-Deville zu. »Ich beeile mich. Und ja keine Experimente.«
    Die Frau nickte seelenruhig. Nichts schien sie ernsthaft erschüttern zu können. Nicht einmal der Gedanke, als einzige Frau inmitten dieses wilden Haufens zu sitzen.
    Als sich Rulfan kurz umdrehte, sah er das Aufglühen ihrer Zigarette und die Blicke der Barbaren, die auf ihr ruhten.
    Selbst über diese Wesen, bei denen man oftmals das Menschliche nur sehr schwer fand, besaß sie mit ihrer ruhigen Art so etwas wie… Macht.
    Endlich war er beim EWAT angelangt, an dem ihn die Funkerin kleinlaut erwartete. »Ich wollte unter keinen Umständen gestört werden!«, herrschte er die Frau an und riss ihr das fragile Gerät aus den Händen.
    »Vater?«, fragte er knapp. Lediglich ein leises Rauschen war zu hören, Die Relaisverbindung über die ISS-Raumstation, die Hunderte Kilometer über ihnen schwebte, war ausgezeichnet.
    »Du musst deine Zelte abbrechen und nach London kommen«, sagte Sir Leonard Gabriel mit seiner tiefen, markanten Stimme.
    »Meine Aufgabe hier ist noch nicht erfüllt. Es gibt noch mehr als zwanzig marodierende Stämme, die wir ausfindig machen müssen…«, widersprach Rulfan, doch Sir Leonard schnitt ihm das Wort ab.
    »Das ist momentan zweitrangig. Das kann auch der ranghöchste Offizier der EWAT-Besatzung für ein paar Tage übernehmen. Sergeant Major Marc Palmerston, nicht wahr? Er soll dich ablösen. Wir treffen uns morgen um acht Uhr in Westminster. Nimm Neuf-Deville mit. Ich komme mit Lady Emily. Die Queen erwartet uns.«
    »Hat sie einen Wunsch oder einen Befehl ausgesprochen?«
    Rulfan wusste, dass sein Vater mitunter sehr spröde werden konnte, wenn man über seinen Kopf hinweg bestimmte. Zudem hatte er mit der so jungen wie eigenwilligen Queen nicht immer das allerbeste Auskommen.
    »Sagen wir mal so: Sie hat ihren Wunsch sehr überzeugend formuliert«, antwortete Sir Leonard ausweichend. »Am besten wird es sein, wenn ihr mit diesen neumodischen Dingern nach London kommt.«
    »Du meinst die X-Quads?« Rulfan musste lächeln. Sein Vater konnte der neuesten technischen Errungenschaft der Bunker-Community von Salisbury nicht allzu viel abgewinnen.
    Noch nicht.
    Ein tiefes Seufzen war zu hören. »Wie auch immer – ich erwarte euch morgen pünktlich um acht Uhr in Westminster.«
    »Gut, Vater. Wir werden dort sein.« Sir Leonard war ein grundvernünftiger Mann. Es musste gewichtige Gründe geben, wenn er der dringlichen Einladung der Queen so rasch Folge leisten wollte.
    »Und Rulfan…«, quäkte es nochmals aus dem Empfangsteil.
    »Ja, Vater?«
    »Sei vorsichtig.«
    »Ja, Vater.«
    Manche Dinge änderten sich nie.
    ***
    Am nächsten Morgen
    Rulfan hatte es so gut es ging vermieden, das mehrmals reihum gegangene, mit würzigem Brabeelensaft gefüllte Gefäß zu oft zu den Lippen zu führen. Dennoch brummte ihm gehörig der Kopf, als er auf das X-Quad stieg.
    Ein letztes Mal blickte er sich auf der Lichtung um. Das Feuer rauchte traurig sich hin; das kniehohe, herbstlich-gelbe Gras war großteils niedergetrampelt. Da und dort sah – und roch – man Hinterlassenschaften der Grandlords und Biglords.
    Die Barbaren waren im Morgengrauen genauso unbemerkt verschwunden, wie sie gestern aufgetaucht waren.
    Die Technos hatten sich an Bord des EWATs eingeigelt. Sie waren die Enge der Räume gewohnt und fühlten sich dort wesentlich wohler als unter freiem Himmel.
    Fernaufklärung war ihr weiteres, klar umrissenes Ziel; das Ausfindigmachen weiterer versprengter Barbarenhorden, die friedliche Kontaktaufnahme sowie Zusammenarbeit mit Paazival und anderen domestizierten Barbaren.
    Rulfan hustete unterdrückt. Seine Glieder waren steif gefroren. Die Nacht war kalt und feucht gewesen. Der Winter nahte; die Laubbäume verloren ihre letzten bunten Blätter.
    »Bist du bereit?«, fragte Rulfan verschnupft.
    »Ja«, antwortete Eve Neuf-Deville kurzangebunden. Sie saß hinter ihm auf der schmalen Lederpolsterung. Links und rechts von ihr hing die festgezurrte Ausrüstung.
    »Dann los«, murmelte der Albino mehr zu sich selbst und startete den Magnetfeldantrieb. Ein leises Surren ertönte.
    Etwas

Weitere Kostenlose Bücher