1284 - Am Paß der Icana
die so kräftig ausgebildet war, daß sie wie eine zweite Stirn wirkte, verlieh seinem Gesicht etwas Finsteres. Dagegen erweckte der dünnlippige, breite Mund den Eindruck, als sei er zu einem ständigen Grinsen verzogen.
„Ich bin Salov", erfuhr Bull. „Wenn du Geduld hast, will ich dir Haleph gerne beibringen."
Bull wollte sich ebenfalls vorstellen, aber der Fremde winkte ab.
„Ich weiß", sagte er. „Du bist einer der Vironauten. Du willst dich am Spiel des Lebens beteiligen. Du heißt Reginald Bull und bist reich. Du interessierst dich besonders für eine Gruppe von achtundvierzig Shana, die an der Hohen Schule des Nordens studieren."
„Du bist gut informiert", antwortete Reginald Bull und tat beeindruckt. Insgeheim aber triumphierte er.
*
Haleph erwies sich als ein Brettspiel, das auf der videotechnischen Wiedergabe eines dreidimensionalen Spielfelds gespielt wurde. Die Kontrolle der Figuren, die wie beim Schach unterschiedliche Wertigkeit besaßen, erfolgte auf psionischem Weg. Das einzig Interessante war, daß jeder Spieler sein eigenes Probierfeld hatte, auf dem er Züge testen und mögliche Gegenzüge analysieren konnte, ohne daß der Gegner ihn dabei zu beobachten vermochte. Reginald Bull erlernte das Spiel recht schnell und war für Salov ein durchaus ernst zu nehmender Kontrahent, wenn er auch die ersten vier Spiele der Reihe nach verlor. Es ging um geringe Einsätze. Man spielte Haleph um des Vergnügens willen, und zwischen den einzelnen Zügen gab es Zeit für ein Gespräch.
„Du scheinst dir für das Spiel des Lebens keine allzu hohen Chancen auszurechnen", bemerkte Salov.
„Wie kommst du darauf?" erkundigte sich Bull.
„Jedermann weiß, daß die Sieger des Spiels Zutritt zur Upanishad finden. Wenn du also zu den Siegern gehörtest, könntest du dich an der Schule einschreiben und dort alles über die achtundvierzig Shana erfahren, die dich so interessieren. Du brauchtest nicht in der Stadt umherzuziehen und mit deinen Fragen Unruhe zu stiften. Da du dies aber trotzdem tust, nehme ich an, daß du nicht damit rechnest, einer der Gewinner zu sein."
„Du siehst die Sache aus einer falschen Perspektive", sagte Reginald Bull. „Die Shana gehören meinem Volk an. Ich will erfahren, wie sie nach Mardakaan gekommen sind. Ich will wissen, wer sie dazu gezwungen hat, Schüler der Upanishad zu werden."
„Gezwungen?" Salov schien ehrlich überrascht. „Wer will dir weismachen, daß sie gezwungen wurden?"
„Ich kenne die Männer und Frauen meines Volkes", antwortete Bull. „Es fällt ihnen schwer, sich für eine Lehre wie die der Zehn Schritte zu begeistern."
„Ich habe davon gehört." Salovs Grinsen wurde noch breiter. „So weit geht die Abneigung, daß man hört, es habe einer von euch die Faust des Kriegers, das Symbol eines Panish Panisha, voller Verachtung von sich geworfen."
„Neuigkeiten verbreiten sich schnell", resignierte Bull. „Du weißt, wer es war."
„Ja. Es fällt mir nur schwer, die Geschichte als solche zu glauben."
„Sie ist wahr", sagte Bull.
Salov kehrte zum ursprünglichen Thema zurück.
„Die Shana, für die du dich interessierst, sind nicht gegen ihren Willen in der Hohen Schule", sagte er. „Du gehst von falschen Voraussetzungen aus, wenn du das annimmst."
„Wenn sie glauben, freiwillig dort zu sein", widersprach Bull, „dann hat jemand ihren Willen manipuliert."
„Du weißt besser als ich, welche Mittel den Kriegern zur Verfügung stehen."
„So ist es. Mir liegt daran, mit den Shana zu sprechen."
Salov unternahm eine Reihe von Zügen. Reginald Bull wehrte sich matt und verlor.
„Es ist schwierig, aber nicht unmöglich, in die Upanishad einzudringen", erklärte Salov. „Man braucht Hilfe."
„Kannst du sie mir beschaffen?"
Salov überflog die Tabelle, die den Spielstand anzeigte.
„Du hast in mehr als einer Stunde sechzig Norkys an mich verloren", sagte er. „Nicht viel. Wenn ich mich davon ernähren müßte, hätte ich ein karges Leben. Aber du warst ein freundlicher Partner. Deswegen fällt es mir nicht schwer, mich von diesem hier zu trennen."
Er griff in eine der Taschen seines Gewands und brachte eine kleine Kapsel zum Vorschein.
„Was ist das?" fragte Bull, während er sie entgegennahm.
„Informationen", antwortete Salov. „Die Aufzeichnung enthält alles, was der Außenwelt über die Hohe Schule des Nordens bekannt ist. Hör sie dir an. Wenn du dann immer noch der Ansicht sein solltest, daß du mit den Shana
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