Der verbotene Kuss (German Edition)
Der Einbrecher
Lara hatte ein Problem. Es lag ausgebreitet vor ihr wie ein düsteres Sommergewitter, still und reglos im Moment, doch unter der Oberfläche wahrscheinlich heimtückisch darauf lauernd, dass sie einen falschen Schritt tat. Der Mann zu ihren Füßen war bewusstlos, aus einer Wunde an der Schläfe lief Blut in seine dunklen Haare und tropfte gemächlich auf den teuren Berber-Teppich. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er wieder zu Bewusstsein kam, um seine Arbeit zu vollenden.
Lara stöhnte auf. Das hatte ihr gerade noch gefehlt, dass ausgerechnet heute in das Haus ihres Chefs eingebrochen wurde. Er und seine Frau waren über das Wochenende nach Amsterdam gefahren und hatten sie, seine Sekretärin, gebeten, das Haus während dieser Zeit zu hüten. Ihr war das Kinn heruntergeklappt, als sie das Grundstück das erste Mal betrat. Es war riesengroß, erinnerte fast an ein Schlösschen mit seiner hohen Diele, den luftigen Räumen und ausladenden Treppen. Im Garten war es mit einem Swimmingpool ausgestattet, auf den die Ausrichter der Olympischen Spiele neidisch gewesen wären, wenn es sie jemals in den Blumenweg verschlagen und sie das Schwimmbecken zu Gesicht bekommen hätten. So lag der Pool versteckt und unentdeckt zwischen aufrechten Zypressen im Schatten des Hauses, schimmerte nachts leicht bläulich wie ein außerirdisches Raumschiff und beschäftigte Woche für Woche einen mürrischen Schwimmbeckenputzer, der Laub, Insekten und hin und wieder auch ein verirrtes Eichhörnchen aus dem Wasser fischte.
Im Keller des Hauses befand sich neben der Sauna ein kompletter Fitnessraum, allerdings bezweifelte Lara, dass den jemals jemand benutzte, denn Franz Meyerhoff wirkte durch seine riesige Körpergröße zwar robust, aber alles andere als sportlich. Und seine Frau hasste alles, was mit Schweiß und Dreck und den damit verbundenen Gerüchen zu tun hatte.
Und nun war Sonntag kurz nach Mitternacht, also eigentlich schon Montag, und das Unglück geschehen. Lara sah zum zerbrochenen Fenster, durch das der Sommer ins Haus wehte, mit der Gardine spielte und den Vorhang aufgeregt auf dem Parkettboden hin und her schaben ließ.
Sie mochte ihren Job in der kleinen Marketingagentur und wollte um keinen Preis das Wohlwollen ihres Vorgesetzten wegen eines hinterlistigen Einbrechers verlieren, der das Haus demolierte, wertvolle Antiquitäten stehlen wollte und Pollen oder Staub hereinbrachte. Sie hängte den Feuerhaken wieder zurück an den Kamin, wo er hingehörte, und nahm mit zitternden Händen das Telefon, um die Polizei zu rufen.
Die weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung erklang viel zu hell und aufgeweckt für diese Uhrzeit. »Polizei, was kann ich für Sie tun?«
Lara wollte etwas sagen, doch ihre Stimme versagte. Der Schreck saß wohl doch tiefer, als ihr das zunächst bewusst gewesen war. Sie räusperte sich. »Hallo, hier ist Lara Richards im Haus von Franz Meyerhoff, Blumenweg 14. Hier ist eingebrochen worden.«
Die Stimme im Hörer schien auf einmal gelangweilt, als würde sie solche Nachrichten vom Stadtrand dutzendweise pro Nacht hören. »Ich schicke sofort jemanden hin. Sind Sie verletzt?«
Lara verneinte. Dann fiel ihr der Mann auf dem Teppich ein. »Der Einbrecher ist verletzt, ich habe ihn niedergeschlagen. Ich denke, er ist bewusstlos. Und er blutet.«
Die Stimme beruhigte sie mit monoton eingeübten Worten, die offenbar mehrmals täglich gesprochen wurden. »Bitte rühren Sie nichts weiter an und gehen Sie aus dem Haus, von dem Täter weg. Warten Sie, bis die Polizei eintrifft. Setzen Sie sich keiner weiteren Gefahr aus.«
Lara nickte. Sie sah zu dem leblosen Körper am Boden. Im Halbdunkel des Zimmers sah der Mann eigentlich gar nicht so schlecht aus. Sein Gesicht war männlich, markant und sehr attraktiv, allerdings ziemlich unrasiert. Auch sein Haar schien seit langer Zeit keinen Friseur mehr gesehen zu haben. Sein Körper hingegen wirkte gepflegt, durchtrainiert und schlank. Auf seiner Brust, die sich mit jedem Atemzug leicht hob und senkte, lagen Glasscherben von dem Fenster, das er zerschlagen hatte. Seine Hand blutete ebenfalls. In dem matten Licht konnte Lara eine feine Narbe an seinem Hals erkennen. Wahrscheinlich eine Erinnerung an frühere Schandtaten.
»Sind Sie noch dran?« Die Stimme am Telefon klang jetzt doch etwas besorgt.
Lara holte tief Luft und wurde damit endlich etwas ruhiger. »Ja, ich bin noch da, alles in Ordnung.« Von weitem vernahm sie die Sirenen der
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