1285 - Der Vampirhasser
sahen einige Gräber vor uns liegen. Auch Tanners Leute standen herum. Wir kannten sie, und sie kannten uns. Wir nickten uns gegenseitig zu, während Tanner einen großen Schritt nach vorn ging, dann stehen blieb und auf ein bestimmtes Grab deutete.
»Da! Schaut es euch an!«
Wir drängten ihn etwas zur Seite. Das Grab selbst betraten wir nicht und bemühten uns, keine Spuren zu verwischen, die bereits markiert worden waren.
Der Tatort wurde so gut wie möglich angeleuchtet. Mir kam der Dunst auch nicht so dicht vor. Ich hatte mir keine Gedanken darüber gemacht, was wir genau finden würden, doch jetzt verschlug es mir die Sprache.
Es gab einen Toten!
Er lag auf dem Grab, aber nicht flach auf dem Boden. Man hatte ihn hingesetzt, und der Grabstein diente seinem Rücken als Stütze.
Jetzt wussten wir auch, weshalb Tanner uns geholt hatte. Der Mann war nicht durch eine Kugel ums Leben gekommen, man hatte ihn auch nicht erstochen, er war gepfählt worden!
***
Wir sagten nichts, und man ließ uns auch in Ruhe. Der Pfahl steckte noch in seiner Brust, doch schon beim ersten Hinschauen sahen wir, dass es nicht der sein konnte, mit dem der Mann vom Leben in den Tod befördert worden war. Dieser hier war viel schmaler, und der Mörder musste ihn nachträglich in die Wunde gedrückt haben, aus der er etwas schief hervorragte.
»Da will euch einer Konkurrenz machen«, sagte Tanner hinter unserem Rücken.
»Sieht so aus«, murmelte ich.
»Dabei sind Vampire doch eure Sache.«
Ich lachte leise. »Falls es sich bei dem Toten wirklich um einen Vampir handelt.«
»Warum sollte man einen Mann sonst pfählen?«
»Das weiß ich nicht.«
Ich nahm mir die Zeit, den Toten genauer anzuschauen. Zunächst interessierte mich sein Gesicht, und da gelangte ich schon beim ersten Hinschauen zu dem Schluss, dass ich ihn noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Der Tote war mir völlig unbekannt. Vom Alter her schätzte ich ihn auf Mitte 20. Er trug eine Stoffjacke, einen dünnen Pullover und schmutzige Jeans. Das braune Haar wuchs struppig auf dem Kopf, und er war in seiner Sitzhaltung zusammengesunken wie eine Marionette, der jemand die Fäden gekappt hatte.
Mich interessierte auch sein Mund, der nicht geschlossen war. Ich leuchtete mit meiner kleinen Lampe hinein, sah das Gebiss, aber nichts deutete darauf hin, dass es hier mal zwei spitze Vampirzähne gegeben hatte. Das Blut war aus der Wunde gelaufen und hatte seine Kleidung angefeuchtet, aber es wies nichts darauf hin, dass sich seine Haut veränderte und er irgendwann zu Staub zerfallen würde.
Kommentarlos trat ich zur Seite und schuf Suko Platz, damit er sich den Toten anschauen konnte.
Ich wollte seine Meinung hören und wartete solange ab.
Tanner stand neben mir. Er schwieg ebenfalls. Schräg hinter ihm stand der Arzt, der leise in ein Handy sprach, um uns nicht zu stören.
Wir brauchten nicht lange zu warten, bis Suko sich wieder aufrichtete und zu uns kam. Schon allein an seinem Gesichtsausdruck erkannte ich, dass ihm das Schauen nicht viel gebracht hatte, zusätzlich hob er die Schultern an, was Tanner zu einer Frage animierte.
»War er ein Vampir oder nicht?«
»Keine Ahnung.«
»Wieso?«
»Ich kann es nicht sagen.«
Tanner gab einen knurrenden Laut von sich. Dann wandte er sich an mich. »Und was sagst du dazu, John?«
»Ich schließe mich Sukos Meinung an. Ich kann dir auch nicht sagen, ob hier ein Vampir gepfählt wurde oder ein normaler Mensch in die Hände eines Wahnsinnigen gefallen ist.«
»Ein Wahnsinniger, meinst du?«
»Kann sein. Einer, der herumrennt und denkt, dass er Vampire jagen muss.«
»Gedacht haben wir daran auch schon. Aber sicher sind wir uns nicht. Deshalb wollten wir ja die Meinungen der Fachleute hören. Aber ihr habt mich auch enttäuscht.«
»Ja,, ja, ich weiß. Sag uns lieber, wie der Tote heißt. Oder habt ihr das nicht herausgefunden?«
»Nein, noch nicht. Er trug keine Papiere bei sich. Nicht mal Geld hatte er mit. Das war schon komisch. Selbst der ärmste Schlucker hat immer ein paar Münzen. Egal, wir werden schon herausfinden, wer er war. Jedenfalls hat sein Mörder hier eine schaurige Performance hinterlassen, fast wie ein Ritual, und er hat seine richtige Waffe mitgenommen. Der Stock, den er in die Wunde gesteckt hat, den kann er sich hier in der Umgebung gesucht haben.«
»Gut recherchiert«, lobte ich Tanner.
Der alte Eisenbeißer grinste. »Wir sind auch noch einen Schritt weiter gegangen.«
»Da bin ich
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