1285 - Der Vampirhasser
gab es keinen Flur. Man betrat direkt die Wohnung, die im Halbdunkel lag. Durch ein Fenster fand letztes Licht seinen Weg. Die Öffnung war nicht besonders groß, weil sie zu einer Gaube gehörte, die man auf das Dachgebaut hatte. Wenn er nach draußen schaute, sah er die anderen schrägen Dächer in der Nähe, die für einen geschickten Kletterer ein perfekter Fluchtweg waren.
Die alles andere als perfekte und komfortable Wohnung bestand aus zwei Räumen. In einem Anfall von Renovierungswahnsinn hatte der Vermieter vor einigen Jahren von dem großen Raum ungefähr ein Viertel abtrennen lassen und so ein Bad geschaffen, mit dem man zwar keine Ehre einlegen konnte, das aber zumindest vorhanden war, auch wenn es kein Fenster gab und der Wasserdruck zudem nicht immer der Beste war.
Urcan schaltete das Licht im Wohnraum ein, betrat aber das Bad und machte auch hier Licht.
Es gab keine Fliesen an den Wänden, und es lagen auch keine auf dem Boden. Man hatte beidem einen angeblich wasserdichten Anstrich verpasst, aber an einigen Stellen zeigte die Wand bereits Risse, und irgendwann würde es bröckeln.
Dafür hatte Urcan keinen Blick. Ihm kam es auf den Spiegel an, der über dem Waschbecken hing.
Er wollte sich darin betrachten und auch nach Spuren suchen, die möglicherweise an seiner Kleidung hafteten. Als er den Mann pfählte, war das Blut schon ziemlich hoch aus seiner Wunde gespritzt. Es konnte durchaus sein, dass er etwas davon abbekommen hatte.
Zu hell war das Licht nicht, und so trat er so nahe wie möglich an den Spiegel heran und beugte sich über das Waschbecken hinweg, um sein Gesicht und dann auch die Kleidung betrachten zu können.
Beides nahm er genau in Augenschein, beobachtete auch die beiden Ecken des Kragens und war froh, dort keine verräterischen Details zu entdecken. Auch der Anzug hatte nichts abbekommen und die Hände ebenfalls nicht, denn er hatte sich die dünnen Handschuhe übergestreift, die jetzt in irgendeiner Mülltonne ihren Platz gefunden hatten.
Über sein Gesicht huschte ein Lächeln. Er fühlte sich verdammt gut nach dieser Tat. Er hatte wieder einen der Blutsauger gekillt und dabei zum ersten Mal auf sich aufmerksam gemacht, denn die beiden anderen Toten waren noch nicht gefunden worden. Eine Leiche lag in einem Themsekanal, die andere hatte er auf einem kleinen Schrottplatz versteckt. Jetzt aber war er ans Licht der Öffentlichkeit getreten, und das tat ihm wahnsinnig gut.
Die Welt würde von ihm erfahren, dass er, der große Vampirjäger, unterwegs war.
Tief atmete er durch. Er sah sein Gesicht im Spiegel. Das blonde Haar, die dunklen Augen, die gerade gewachsene Nase und der Mund mit den fein geschwungenen Lippen. Er fand sich toll, obwohl er so ganz anders war als die üblichen jungen Männer in seinen Jahren. Er war jetzt 24, aber er wusste bereits, welchen Weg er zu gehen hatte. In ihm steckte ein altes Erbe. Er war dazu verpflichtet, es auf seine Art und Weise zu ehren, und das tat er eben so wie es sein musste.
Discos, heiße Feten, ein schneller One-Night-Stand, das alles war nichts für ihn, denn Urcan führte ein völlig anderes Leben, das neben dem normalen herlief. Er war der Mann, der sich der Vergangenheit verschrieben hatte und dies auch nach außen hin durch seine Kleidung zeigte. Sie passte perfekt ins vorletzte Jahrhundert, als die Welt noch von Autos und Flugzeugen träumte und durch London die Pferdedroschken fuhren und Gaslaternen in der Nacht für Beleuchtung sorgten.
Nachdem Urcan sicher war, keine Blutspritzer abbekommen zu haben, zupfte er sein Jackett zurecht und griff dann dorthin, wo sein »Argument« steckte. Er hatte den Pfahl so genannt, denn die Blutsauger verstanden eben keine andere Sprache. Er hatte sich eine Lederhülle dafür gebastelt, die er wie ein Revolverhalfter trug.
Vorsichtig holte er den Pflock hervor. Auf dem Friedhof hatte er ihn notdürftig gereinigt. Nicht gut genug für ihn, denn das wollte er jetzt nachholen.
Der Wasserdruck war mal wieder bescheiden, als der Strahl in das Waschbecken floss. Trotzdem hielt er den Pfahl darunter und säuberte ihn von den letzten Blutspuren. Es war eine Arbeit, die ihm Spaß machte, und die er auch mit großer Hingabe durchführte. Erst als er sicher war, dass sich kein Spritzer Blut mehr am Holz befand, stoppte er die Säuberung und zog vom Haken ein graues Handtuch, mit dem er den Pfahl trocknete. Wieder ging er sehr sorgfältig vor. Als er zwischendurch einen Blick in den Spiegel warf,
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