1285 - Der Vampirhasser
die Luft. Zugleich fegte ein brennender Schmerz in ihr hoch. Sie war nicht mehr fähig, auf den Füßen zu bleiben. Sie fiel nach hinten und landete schräg auf dem Sarg, der unter ihrem Gewicht umkippte.
Justine Cavallo war nicht zu halten. Die Frau interessierte sie nicht, sie wollte den Mann, und den bekam sie.
Wieder rammte sie ihn gegen die Wand.
Urcan bekam nur noch vage mit, was mit ihm passierte. Er war nicht in der Lage, sich zu wehren, obwohl er noch seinen Eichenpfahl in der Hand hielt. Aber er bekam den Arm nicht hoch. Außerdem fehlte ihm der Platz. Es war einfach zu eng zwischen ihm und der Blonden.
Justine stellte sich den Mann zurecht. Diesmal krallte sie eine Hand in sein Haar und zerrte den Kopf so zur Seite, dass der Hals frei lag. Genau das hatte sie gewollt.
Ihre Augen glänzten. Sie sah die Abdrücke der Adern unter der dünnen Haut. Ein raues Lachen strömte aus ihrer Kehle, das in den Worten endete, die für sie wichtig waren.
»Du wirst es nicht schaffen! Du wirst uns nicht mehr ins Handwerk pfuschen, van Helsing!«
Sie lachte - und biss zu!
Die beiden Spitzen der Zähne stachen in die Haut hinein. Sie erwischten die Ader und rissen sie auf, sodass aus ihr das Blut in die Höhe sprudelte und genau in den weit geöffneten Mund der blonden Bestie hinein. Sie genoss es. Sie schluckte es. Sie trank, sie schlürfte, und sie hörte nur einmal ein leises Jammern der Gestalt, die noch immer in ihrem Griff festhing.
Urcan sackte zusammen. Aber die Blonde folgte ihm. Sie hing noch immer an seinem Hals wie festgeklebt. Sie saugte das Blut mit einer schon wahnsinnigen Gier. So wie sie das Blut, so hätte auch ein halb verdursteter Mensch Wasser getrunken. Sie schmatzte, sie stöhnte zwischendurch wohlig auf und zerrte den schlaffen Körper wieder in die Höhe, um ihn danach erneut gegen die Wand zu drücken.
Justine legte eine Pause ein. Sie löste den Mund vom Hals des Mannes, leckte über ihre blutverschmierten Lippen, um dann einen erneuten Anlauf zu nehmen.
Mitten in der Bewegung hielt sie inne. Justine hatte etwas gehört. Nicht hier im Keller, sondern draußen. Das Geräusch war nicht genau zu identifizieren gewesen, aber sie war eine verdammt misstrauische Person und wusste sofort, dass es nicht normal war.
Genügend Blut hatte sie getrunken. Dieser Urcan würde nie mehr zu einem normalen Menschen werden. Aber sie wusste auch, dass sie nicht allein hinter diesem Vampirhasser hergewesen war. Sie selbst hatte Sinclair auf die Spur gebracht. Aber sie war mal wieder schneller gewesen und handelte auch jetzt so, als sie mit einer wuchtigen Bewegung die Tür aufriss und ein mächtiger Sprung sie über die Schwelle in den breiten Kellerraum hinbrachte…
***
Plötzlich war sie da!
Wir hatten die Treppe zum Keller hinter uns gelassen. Wir hatten auch Geräusche gehört und sie nicht einordnen können. Wir hatten uns nur zuerst darüber gewundert, dass der Keller wie ein Gewölbe angelegt worden war. Doch als wir die Weinregale und die Weinfässer an den Wänden gesehen hatten, da war uns klar geworden, welchem Hobby hier jemand frönte.
Sie kam wie ein weiblicher Kastenteufel. Die Tür war aufgestoßen worden, und wir hatten Glück gehabt, nicht von ihr getroffen worden zu sein. Justine hatte sich auf uns einstellen können, wir weniger auf sie, und sie griff sofort an.
Dass sie mit schier übermenschlichen Kräften versehen war, hatte ich leider oft genug erfahren müssen. Und auch ihr Angriffssprung war kaum nachzuvollziehen. Sie lag in der Luft und benutzte ihre Beine als Waffen.
Ihr Tritt erwischte mich dicht über der Gürtelschnalle. Während mir die Luft wegblieb und ich fiel, hörte ich noch einen klatschenden Laut und wusste, dass mein Freund Suko getroffen worden war.
Er war zwar ein besserer Fighter als ich, aber letztendlich auch nur ein Mensch und längst nicht so stark wie Justine Cavallo.
Was weiter passierte, bekam ich nicht mit, denn ich lag auf dem Boden und hielt die Hände gegen den Bauch gedrückt. Dabei befürchtete ich, dass die Cavallo zurückkehren könnte, doch das traf zum Glück nicht zu. Sonst hätte sie mich gepackt und fertig gemacht wie schon einmal. Viel hatte ich von ihr auch nicht gesehen. Einen dunklen Schatten, nur mit blonden Haaren, dann war sie förmlich explodiert, und an den Folgen litt ich noch immer.
Ich wälzte mich zur Seite und schnappte noch immer nach Luft. Sehr langsam stemmte ich mich auf. Ich atmete nicht - mehr normal, sondern
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