1285 - Der Vampirhasser
waren wir auch schon«, erklärte ich. »Wir gehen inzwischen davon aus, dass hier in London ein Psychopath herumrennt, der zwei Leben lebt und dabei glaubt, ein Vampirjäger zu sein. Da er keine echten Vampire findet, nimmt er sich andere vor. Normale Menschen. Wenn es ihn dann überkommt, bringt er sie um.«
»Da liegen wir gar nicht mal so weit auseinander, John.«
»Und wir werden uns darum kümmern, Tanner!«
»Doch?« Er freute sich, dass er den Fall abgeben konnte.
»Ja, denn möglicherweise steckt mehr dahinter. Aber das finden wir heraus.«
»Dann weißt du schon, wo ihr einhaken wollt?«
»Genau. Wir denken da an diverse Kliniken. Es ist gut möglich, dass der Täter dort einmal Patient gewesen ist, entlassen wurde oder geflüchtet ist. Das muss man sehen. Ob das alles so hinkommt, weiß ich nicht, aber es ist ein Weg.«
»Gut, John. Wir machen es wie immer und bleiben in Verbindung.«
»Ja, bis dann.«
Mittlerweile war auch der Nachtisch serviert worden, den Shao und Suko sich teilten. Beide aßen mit einem noch guten Appetit. Die Früchte schienen ihnen wirklich gut zu schmecken.
»Bekommst du nicht auch Hunger, wenn du das siehst?«, fragte Shao mich.
»Nein, nein«, wehrte ich ab, »lass mal.«
»John denkt bereits an etwas anderes«, meinte Suko.
»Aha. Stimmt das?«
»Ich kann es nicht leugnen.«
»Und an was?«
»Er will Vampirjäger des Vampirjägers werden«, erklärte mein Freund und grinste breit.
»Zu dir oder zu uns?« fragte Suko im Aufzug.
»Zu mir!« entschied ich.
»Okay.«
Es war noch nicht sehr spät. Knapp vor 21 Uhr betraten wir meine Wohnung, und ich sorgte erst mal für Getränke. Shao ging kurz nach nebenan, um sich die Namen der Kliniken, die eventuell in Frage kamen, ausdrucken zu lassen.
Suko war nachdenklich geworden. »Ich habe das Gefühl, John, dass wir noch so manche Überraschung erleben werden, die mit diesem Fall in einem Zusammenhang steht. Ich kann dir nicht sagen, welche das sein werden, aber bei mir im Bauch rumort es.«
»Dann geh zur Toilette.«
»So meine ich das nicht.«
Wir prosteten uns mit Wasser zu und warteten noch einige Minuten, bis Shao erschien. Lachend betrat sie das Wohnzimmer und schwenkte eine Liste. »Hier ist es, Freunde. Alles was ihr haben wollt.« Sie breitete einige der Blätter auseinander.
»So viele?«, staunte ich.
»Es gibt eben mehr Psychos als man sich vorstellt. Und London ist ein Moloch.«
»Das stimmt leider.«
Wir hatten eine Menge zu tun, wenn wir die einzelnen Kliniken abtelefonieren wollten. Wir hätten sie natürlich auch per E-Mail erreicht, aber auf diese Antworten hätten wir bestimmt lange warten können. Da war es schon besser, wenn wir es per Telefon versuchten und persönlich mit den Leuten sprachen.
»Wo fangen wir an?«, fragte Shao.
Suko und ich wollten gleichzeitig antworten, aber wir wurden durch das normale Telefon unterbrochen.
»Ob Tanner eine neue Spur gefunden hat?«, fragte die Chinesin.
Ich schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Tanner hätte mich auf dem Handy erreicht.«
Ich war trotzdem gespannt und hatte noch vor dem Abheben wieder die Eingebung, dass dieser Anruf etwas mit unserem Fall zu tun hatte. Das war schnell herauszufinden.
»Ja…«
»Du bist es tatsächlich!«
Es war die Stimme einer Frau. Nicht dass ich etwas gegen Frauen gehabt hätte, ganz im Gegenteil, ich mochte diese Geschöpfe sehr, aber es gibt auch bei mir Ausnahmen, denn diese Stimme zu hören, darauf hätte ich gern verzichtet.
Shao und Suko hatten anhand meiner Reaktion erkannt, dass ich nicht eben begeistert war, denn sie blickten mich beide gespannt an. Ich stellte den Lautsprecher an, damit sie mithören konnten, aber zunächst mal sagte ich nichts und dachte nur über die Anruferin nach.
Es war Justine Cavallo, die Vampirin, die uns schon so verdammt viel Arger bereitet hatte. Eine Blutbestie, die keine Gnade kannte und eiskalt ihre Ziele verfolgte.
»Hat es dir die Sprache verschlagen, Sinclair?«, höhnte sie.
»Keineswegs, Justine. Ich bin nur überrascht, von dir wieder mal zu hören, eigentlich habe ich dich in der tiefsten aller Höllen vermutet, wo du auch hingehörst.«
»Pech für dich. Ich bin noch da.«
»Das höre ich. Nur kann ich mir nicht vorstellen, dass du mir eine gute Nacht wünschen willst.«
»So tief bin ich noch nicht gesunken.«
»Hatte ich mir fast gedacht.« Ich ging davon aus, dass Justines Anruf etwas mit dem Fall zu tun hatte, an dem wir gerade
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