1285 - Der Vampirhasser
belehrt, als sie wie ein graues feuchtes Stück Tuch aus der Mundöffnung wischte und dann wieder zurückschlug.
»Los, du Bestie, komm her! Warte nicht so lange! Ich will, dass du zu mir kommst, verdammt!«
Er hatte seine Sicherheit wiedergefunden. Die rechte Hand umklammerte den Holzpfahl wie einen Rettungsbalken. Er hatte sich schon in Position gestellt. Die Spitze wies nach vorn und dabei leicht schräg nach unten, damit sie den Körper traf.
Der fiebrige Ausdruck, den er von den Augen des Blutsaugers her kannte, hatte sich auch auf seine gelegt. Es war alles perfekt, wie für ihn gemacht. Er war so verflucht cool - und schrie trotzdem überrascht auf, als der Eindringling angriff. Nur anders als er es sich vorgestellt hatte. Der Tisch kippte ihm plötzlich entgegen. Er stellte sich hochkant und wuchtete ihn nach vorn.
Plötzlich war ihm die Sicht genommen. Der Tisch wurde zu einer Bedrohung. Er musste zurück, um nicht von ihm getroffen zu werden. Schlagartig wallte Panik in ihm hoch. Er sprang auch nach hinten, aber Urcan hatte Pech, denn so groß war sein Zimmer auch nicht. So prallte er mit dem Rücken gegen die Tür.
Eine Sekunde später bekam der Tisch das Übergewicht und kippte gegen ihn.
Urcan fühlte sich in der Falle. Eine erste Panikattacke machte ihm zu schaffen. Die Tischplatte stand in einer schrägen Haltung und drückte gegen seinen Körper. Er konnte sich nicht um sie und gleichzeitig um den Vampir kümmern, der jetzt angriff, aber den Tisch ebenfalls als ein Hindernis ansehen musste. Um an sein Opfer heranzukommen, musste er ihn zur Seite räumen.
Er bewies, welch eine Kraft in seinem ausgemergelten Körper steckte. Er benutzte eine Hand, um den Tisch zur Seite zu schleudern, der dann gegen das Regal prallte und daran herabrutschte. Einige Bücher, die zu weit vorstanden, wurden von der Kante getroffen und zu Boden geräumt.
Die ausgemergelte und nach Blut gierende Gestalt stürzte sich auf ihre Beute.
Urcan saß auf dem Boden. Er sah alles wie durch eine Lupe. Er wusste, was die Bestie vorhatte. Er sah die grässlichen Zähne, die ihm grau vorkamen, und er tat trotz seiner Panik das einzig Richtige.
Den Pfahl aus Eichenholz fasste er mit beiden Händen an und riss ihn genau in dem Augenblick hoch, als ihm der andere entgegenkippte.
Die Spitze traf!
Sie drang durch die dünne Haut, die wie Papier aufbrach. Er hörte das Knirschen der Knochen, das wie Musik in seinen Ohren klang. Er sah das heftige Zucken der Gestalt, die aufgespießt an diesem Eichenpflock hing. Er hörte die keuchenden Schreie aus dem weit geöffneten Maul. Er sah, wie die Gestalt zuckte und dabei versuchte, sich von dem verdammten Pfahl zu befreien.
Sie schaffte es nicht.
Sie hing fest!
Und Urcan hielt weiterhin seine Waffe fest und hatte sich mit dem Rücken gegen die Tür gepresst, denn so hatte er den besten Halt bekommen.
Der Blutsauger röchelte. Er versuchte auch, sich zu bewegen. Er wollte seinen Oberkörper zurückwerfen, um sich so von der Waffe zu lösen, doch das schaffte er nicht. Es gab keine Kraft mehr, die er einsetzen konnte, denn er war auf die klassische Art und Weise von einem Menschen gepfählt worden. Auch Urcan merkte jetzt, wie der Widerstand erlahmte. Zwar zuckte der andere Körper noch, mehr passierte jedoch nicht. Es gab keinen Widerstand mehr, und abermals hörte der Mann das Brechen und Knirschen von Knochen.
Dann kippte der Eindringling zur Seite hin weg, was Urcan auch zuließ. Die Gestalt rutschte vom Pfahl ab und landete seitlich auf dem Boden, wo sie liegen blieb.
Es war aus mit ihm!
Urcan konnte es zunächst nicht begreifen. Er blieb auf seinem Platz sitzen, hielt den Mund offen und atmete schwer. Seine Augen hatten einen völlig anderen Ausdruck bekommen. Sie wirkten leer und waren schon mit denen eines Toten zu vergleichen. Urcan hatte es geschafft und gewonnen.
Allmählich kam ihm zu Bewusstsein, was er geleistet hatte. Dazu trugen auch die Geräusche mit bei, die er weiterhin hörte, sodass er schließlich den Kopf nach rechts wandte.
Der Vampir lag auf der Seite. Jetzt geschah mit ihm das, was Urcan aus seinen Büchern kannte. Die Knochen brachen zunächst, weil sie keinen innerlichen Halt mehr besaßen. Dann zerrieselten sie und wurden allmählich zu Staub, der als grauer Haufen den Boden bedeckte.
Der Vorgang faszinierte Urcan. Er schaute gebannt hin. Das war schon die klassische Methode des Vergehens. So hatte er es oft gelesen, und jetzt sah er mit eigenen
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