1297 - Das Blutsee-Quartett
gehen, und das tat sie mit aller Konsequenz.
Zwei Frauen und zwei Männer waren aus dem rätselhaften Blutsee gestiegen. Wir hatten weder sie gesehen noch den See. Dieser Pilot war für uns der perfekte Zeuge. Er würde uns hinbringen, kein Problem, aber auch die Cavallo musste Wind von der Sache bekommen haben, wenn stimmte, was der Zeuge gesehen hatte.
Als ich von der Seite einen Blick in Sukos Gesicht warf, sah ich den ernsten Ausdruck darin. Sicherlich beschäftigten ihn ähnliche Gedanken wie mich, aber alle Theorie war zunächst unwichtig. Paolo Cotta stand an erster Stelle.
Auch Bruder Anselmo hatte es eilig. Er ging mit langen Schritten vor uns her. Wir wunderten uns über die Länge des Flurs und darüber, dass uns keiner der anderen Mönche begegnet war. Das Kloster schien ein Hort des Schweigens und der Leere geworden zu sein.
»Die Zellen für die Gäste liegen leider ganz hinten«, erklärte uns der Mönch. »Ich habe es nicht so eingerichtet, das ist schon immer so gewesen.«
»Wir sind gut zu Fuß«, sagte Suko.
Wir gingen am ruhigen, aber schwachen Licht der Ölleuchten vorbei. Sie hingen an den Wänden wie schwebende Tropfen und passten perfekt zu dieser Atmosphäre. Eine Heizung gab es hier oben nicht und wohl auch keine Kamine, nur schlichte Türen, die sich bis an das Ende des Ganges hinzogen.
Sehr plötzlich blieb Bruder Anselmo stehen. Beinahe wären wir gegen ihn gelaufen. Vor uns lag eine dunkle Tür, gegen die der Mönch nickte. »Hier ist es!«
Suko und ich wollten schon nach der Klinke greifen, um die Tür zu öffnen, als unsere Hände wieder zurückzuckten. Wir hörten den seltsamen Laut aus dem Raum dahinter.
Dass es ein menschlicher war, stand fest, aber normal hatte er sich nicht angehört.
Ein kurzer Blick der Verständigung reichte aus. Suko war schneller als ich. Er zerrte die Tür auf, wir stürzten in die Zelle - und verharrten wie vom Blitz getroffen.
Obwohl sie nicht zu sehen war, hatte ich das Gefühl, dass Justine Cavallo hier ihre Spuren hinterlassen hatte…
Paolo Cotta lag rücklings auf dem Tisch. Er stöhnte leise vor sich hin. Da auch hier eine Ölleuchte Licht spendete, fiel mir auf, dass die Gegend um Nase und Mund herum blutverschmiert war. Und mir fiel das nicht nur geöffnete, sondern auch zerstörte Fenster auf, das jemand von außen eingeschlagen hatte.
So etwas traute ich der blonden Bestie durchaus zu. Um den Mann kümmerten sich Suko und Anselmo. Ich ging auf das Fenster zu und schleuderte dabei durch zwei Fußtritte die Scherben aus dem Weg, um nicht auszurutschen.
Dann schaute ich nach unten. Es war ein Blick, der steil an der Fassade herab nach unten fiel. Ob sie tatsächlich nur glatt war oder ob es auch Vorsprünge und Ecken gab, erkannte ich nicht. Ich sah auch keine Gestalt, die in die Tiefe kletterte.
So leicht gab ich jedoch nicht auf. Die schmale Leuchte besaß eine starke Kraft. An der Wand entlang glitt der Strahl in die Tiefe. Ich hoffte, dass er ein Ziel erreichte, und hatte tatsächlich den Eindruck, etwas Helles auf dem Weg nach unten schimmern zu sehen.
Blondes Haar?
»Justine!«, brüllte ich in die Stille hinein. »Justine Cavallo!«
Mit einer Antwort rechnete ich nicht. Umso überraschter war ich, dass ich sie trotzdem bekam. Aus der Tiefe und der Dunkelheit schallte mir ein scharfes Lachen entgegen.
Frauenlachen! Das einer Blutsaugerin!
Ich kannte dieses verfluchte Gelächter. Ich spürte es heiß und kalt meinen Rücken hinabrinnen. Ich merkte die Hitze auf meinen Wangen und auf der Stirn, es war einfach nur die Wut, die in mir hochstieg, weil sie wieder mal entwischt war.
Aber nicht wirklich, denn hier hatte sie noch etwas zu erledigen. Wir würden wieder aufeinander treffen, das stand für mich fest.
Ich blieb noch am Fenster und schwenkte meine Lampe. Dass Suko dabei dicht hinter mir stand, merkte ich an dem warmen Atem, der meinen Nacken streifte.
»Justine?«
»Ja, verdammt!«
Der Strahl tanzte wie ein heller breiter Strich von links nach rechts, fand jedoch kein Ziel. Er jagte hinein ins Leere und strich nurmehr als schwacher Streifen über den dunklen Erdboden hinweg.
Es hatte keinen Sinn mehr, noch länger am Fenster zu bleiben, denn Justines Chancen waren in der Dunkelheit gestiegen.
Ich zog mich wieder zurück. »Pech gehabt, Suko.«
»Aber sie war es - oder?«
»Klar, das Lachen kenne ich. Und jetzt wissen wir, mit wem wir noch zu rechnen haben.«
»Nun ja, vielleicht kann uns Paolo Cotta ja mehr
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