1297 - Das Blutsee-Quartett
ging es um das Blut auf der Tischplatte, denn sie war eine Vampirin, und sie brauchte das Blut als Lebenselixier.
Paolo Cotta atmete scharf ein. Er tastete vorsichtig über seine Nase und zuckte zusammen. Irgendwas schien da gebrochen zu sein, aber das war jetzt unwichtig geworden, denn er sah, wie die Blonde ihren Kopf senkte.
Das tat sie nicht zum Spaß. Er hörte sie hecheln und nicht atmen, denn die Lache auf dem Tisch zog sie unwahrscheinlich an. Das Blut war so frisch, so herrlich, und das konnte sie einfach nicht außer Acht lassen.
Beide Hände drückte sie mit den Ballen gegen die Tischkante. Sehr geschmeidig senkte sie Kopf und Körper noch tiefer der Lache entgegen.
Paolo Cotta hatte seine eigenen Schmerzen vergessen. Der Anblick der Frau bannte ihn. Noch konnte er etwas von ihrem Gesicht sehen, obwohl der Blickwinkel immer schlechter wurde. Aber ihm fiel auf, dass ihre Zunge zwischen den Lippen hervorschnellte und plötzlich mit der Spitze über die Oberfläche der Blutlache hinwegstrich.
Sie trank nichts, sie schleckte. So wie sie das Blut in ihren Mund schaufelte, hätte auch eine Katze ihre Milch trinken können. Zwischen dem Schlürfen hörte Paolo die stöhnenden Geräusche, die sehr zufrieden klangen.
Hin und wieder spritzten kleine Tropfen durch die Luft und blieben auf ihrer Haut kleben. Daran störte sie sich nicht. Als die erste Schicht weggeleckt war und die Maserung des Holzes bereits durch den Rest schimmerte, beugte sich die Untote noch tiefer, legte den Kopf schief und streckte die Zunge so weit wie möglich hervor, um auch alle Reste von der Platte zu lecken.
Zwischendurch kam Cotta der Gedanke, noch mal einen Fluchtversuch zu wagen, doch dazu war er einfach zu schwach. Er kannte inzwischen die Kräfte der Blonden. Sie hätte blitzschnell zugepackt und ihn dann richtig fertig gemacht.
Ein wohliges Geräusch verließ den Mund der Cavallo, nachdem sie auch den letzten Rest aufgeleckt hatte. Zusammen mit dem Laut richtete sie ihren Oberkörper wieder auf. Auch jetzt noch reagierte sie wie eine Katze, als sie die Zunge noch mal über und an ihren Lippen vorbeitanzen ließ.
Wieder musste der Pilot sein Gegenüber einfach anschauen. Er sah auch die roten Punkte auf der Haut, die wie stark eingedunkelte Sommersprossen wirkten. Noch immer fiel es ihm schwer, sich vorzustellen, dass es sein Blut war, das im Gesicht der Frau klebte, und er stöhnte vor sich hin.
»Jetzt hast du Angst, wie?«
»Ja, habe ich.«
Schwungvoll warf Justine an der rechten Kopfseite die Haare zurück. »Du brauchst keine Angst zu haben, denn es tut nicht weh. Nur am Anfang ein leichtes Stechen, das ist alles.«
Paolo Cotta zuckte zusammen, als er begriff, was die Blutsaugerin meinte. »Nein… nein«, stammelte er.
»Doch, mein Freund. Du kannst mir nicht entkommen. Die Dinge verlagern sich auf meine Seite. Als Person brauche ich dich nicht mehr, nur noch als Nahrung.«
Der Pilot konnte es nicht fassen. Es war einfach zu abartig. Schon die Begegnung mit dem Blutsee-Quartett hatte ihm den Nerv geraubt. Nie hätte er gedacht, dass noch eine Steigerung möglich sein könnte, doch die hatte es tatsächlich gegeben.
Die Vorstellung, als lebender Toter dahin zu vegetieren, war zu grauenvoll. Er hätte schreien, er hätte durchdrehen können, doch er tat nichts von dem. Er saß auf seinem Stuhl und starrte in dieses perfekte Gesicht hinein, wobei er noch immer nicht so recht daran glauben wollte, dass diese Frau in der Lage war, sein Blut zu trinken und ihn einfach leer zu saugen.
Aber da war ihr Lächeln, da waren die beiden Zähne, die leicht gelblich schimmerten, und da war auch dieser eiskalte Blick, der ihn bis ins Mark traf.
Es tut nicht weh!, hatte sie gesagt…
Er sah, dass sich die Unperson aufrichtete und dabei streckte. Wieder waren ihre Bewegungen gleitend. Sie schien neben dem Tisch herzuschweben, um an ihn heranzukommen. Die Zähne waren gebleckt, in den Augen blieb weiterhin der harte Glanz, und sie war voll und ganz auf ihr Opfer fixiert.
Paolo war vor Entsetzen wie gelähmt.
»Es wird mir schmecken!«, flüsterte sie ihm zu. »Es wird mir wirklich schmecken. Ich brauche es und…«
»Hau ab! Hau endlich ab! Lass mich in Ruhe! Ich will es nicht! Ich will mein Blut behalten. Es ist grauenhaft, verflucht noch mal! Das kannst du mit mir nicht machen und…«
»Doch, kann ich!«
Sie schnappte zu. Und wieder musste Cotta einsehen, dass sich diese Person so schnell bewegte, dass ihm nicht die Spur
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