1299 - Zeit der Bestie
wollte auch nicht mehr länger auf die Personen mit den Uniformen warten.
Mit langen Schritten lief er weiter. Sein Ziel war das Fenster, aus dem das meiste Licht strömte. Wenn er dort hindurchschaute, hatte er den besten Überblick.
Im Sommer blühten hier herrliche Blumen. Jetzt war das Gelände hinter dem Haus tot. Gewisse Teile waren abgedeckt worden, um Pflanzen vor dem harten Frost zu schützen. Rücksicht nahm die Bestie nicht. Sie trampelte darüber hinweg. Sie duckte sich und machte sich so klein wie möglich, um nicht entdeckt zu werden. Sie wollte gesehen werden, wenn sie es bestimmte.
Dann war sie da.
Der Anbau. Das große Wohnzimmer. Die breite Scheibe, durch die man so prächtig hineinschauen konnte. Die Menschen saßen wie auf dem Präsentierteller.
Fleisch, nur Fleisch…
Er brauchte nur zuzugreifen. Sie sich zu holen. Seine Zähne in die Körper schlagen. Die Stücke hervorholen und sie dann im Maul zermalmen. Danach sehnte er sich und konnte seine Freude kaum unter Kontrolle halten.
Ja, es waren drei Menschen! Eine Frau und zwei Männer. Sie saßen um einen Tisch herum und unterhielten sich. Er kannte die beiden. Es waren Feinde. Einer der beiden überreichte der Frau etwas, das er nicht erkannte. Sie schaute darauf.
Die Bestie beobachtete ihr Gesicht, und sie war so dicht dabei, dass sie das Erschrecken erkannte.
Sein Hunger steigerte sich bei dem Anblick der drei Menschen noch mehr. Er war wie ein Motor, der in seinem Innern rotierte und die Gier in ihm hochsteigen ließ.
Die Scheibe würde ihm nicht standhalten. Es war so einfach, wenn er sich gegen sie warf und dann in das Zimmer eindrang.
Die Bestie ging zurück und nahm Anlauf. Wieder leckte sie über ihre Lippen. In den Augen hatte der Glanz noch zugenommen. Seitlich wollte die Bestie in die Scheiben hineinspringen.
Etwas passte ihm nicht.
Er sah nichts, denn es war nur zu spüren. Sein Fell fing an, sich zu sträuben, und nur mit großer Mühe unterdrückte er einen wütenden Knurrlaut.
Wer lauerte hinter seinem Rücken? Wer oder was war erschienen? Warum änderte sich sein Verhalten?
Er drehte sich um. Vor ihm stand die Gestalt. Sie war bewaffnet und zielte mit einer Pistole auf ihn.
»So nicht, Alec, so nicht…«
***
Es enthielt schon eine gewisse Tragik, die Frau so zu erleben. Sie war nicht mehr in der Lage, den Strom der Tränen zurückzuhalten. Sie beugte sich vor und presste beide Hände gegen ihr Gesicht. Ihr Körper zuckte. Ihre Schultern bebten und sie konnte nicht mehr sprechen. Suko und mir blieb nichts anderes übrig, als zu warten, bis die Frau sich wieder erholt hatte.
Als sie sich aufrichtete, glitten auch die Hände nach unten. Ich reichte ihr ein Papiertaschentuch, das sie mit einer Bewegung an sich nahm, die irgendwie roboterhaft wirkte.
Fiona Harris schnäuzte die Nase und tupfte die Augen trocken.
Es war das Bild gewesen, dessen Anblick ihr diesen Schock versetzt hatte. Aber das würde sie uns selbst sagen müssen. Ich wartete nur darauf, die entsprechenden Fragen stellen zu können.
»Fiona…?«, fragte ich sanft.
Langsam hob sie den Kopf. Ihre Augen waren gerötet. Sie schniefte und nickte.
»Können Sie reden?«
»Ja. Bitte, Mr. Sinclair. Ich bin die Frau eines Polizisten. Fragen Sie mich.«
»Gut.« Wenn sie mich schon aufforderte, wollte ich nicht lange um den heißen Brei herumreden. So kam ich mit meiner Frage direkt zur Sache. »Sie kennen die Gestalt auf dem Ausdruck?« Die Frau nickte.
Die nächste Frage fiel mir schwer, doch ich musste sie stellen. »Kann es Ihr Mann sein, Mrs. Harris?«
Bisher hatte sie schnell geantwortet. Das war vorbei. Sie schwieg und saß steif auf ihrem Platz. In der jetzt vorherrschenden Stille hätte man die berühmte Nadel auf den Boden fallen hören. Schließlich schüttelte sie den Kopf.
»Nein?«
Fiona Harris musste schlucken. »Sie haben richtig gehört, Mr. Sinclair, das ist nicht mein Mann.«
Suko und ich waren überrascht. Wir schauten uns an, sagten aber noch nichts. Bis mein Freund fragte: »Nicht Ihr Mann? Sind Sie da sicher, Mrs. Harris?«
»Ja, das bin ich.«
»Aber wie, bitte schön, erklären Sie sich dann diese frappierende Ähnlichkeit?«
Es sah so aus, als wollte sie uns eine Antwort geben. Sie hielt den Mund bereits offen, aber sie sagte nichts. Stattdessen zuckte sie mit den Schultern.
»Können oder wollen Sie nichts sagen?«
»Bitte«, flüsterte sie und bewegte wieder ihren Kopf. »Bitte nicht, ich möchte dazu keinen
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