1299 - Zeit der Bestie
die Toilette befand und sah als Erstes das weit offen stehende Fenster.
»Verdammt!«, flüsterte er, »verdammt.«
***
Der Vergleich mit dem Haus der Conollys war übertrieben. Es lag nur nicht so weit von dem entfernt und auch in einer ähnlich anmutenden Gegend, obwohl mir die hier weniger bebaut vorkam und es noch einige freie Grundstücke gab.
Die Fläche war nicht nur von diesen hohen Zäunen umfasst. Zum Haus hin konnten wir gehen oder fahren. Es gab eine Zufahrt, deren Boden knochenhart gefroren war. Unser Rover holperte über die Unebenheiten hinweg auf das gelbliche Licht zu, das an der Hauswand brannte.
Auf dem Dach lag eine weiße Schicht aus Reif. Das war trotz der Dunkelheit zu erkennen. Das Haus war nicht besonders groß und schien sich aus verschiedenen Anbauten zusammenzusetzen. Hinter den meisten Fenstern im Erdgeschoss sahen wir das honiggelbe Licht.
Suko fuhr fast bis an das Haus. Wir hielten an und stiegen hinaus in die Kälte.
Ob man uns vom Haus her gesehen hatte, war nicht zu erkennen. Wichtig war, dass wir jemanden zu Hause antrafen, und das war der Fall. Nach meinem Schellen brauchten wir nicht lange zu warten, bis sich die Haustür öffnete.
Vor uns stand eine Frau in einem bequemen hellblauen Hausanzug und schaute uns misstrauisch und zugleich neugierig an. Ihr Haar musste noch feucht sein, denn sie hatte sich ein Handtuch um den Kopf geschlungen. Das Gesicht war rund, nicht geschminkt, ich entdeckte auch erste Falten und schätzte die Person auf ungefähr 40 Jahre.
Ihre Augen bewegten sich. Sie hatte eine Haltung eingenommen, als wollte sie jeden Moment zurückgehen. Aber sie war auch die Frau eines Polizisten, eine andere hätte vielleicht nicht geöffnet, sie aber zeigte Courage.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie?«
»Sind Sie Mrs. Harris?«
»Wen interessiert das?«
Ihre Forschheit blieb. Ich nannte unsere Namen und zeigte dann meinen Ausweis, den sie sich genau anschaute. Als sie ihn mir zurückgab, flüsterte sie: »Scotland Yard?«
»Genau.«
»Okay, was kann ich für Sie tun? Oder wollten Sie mit meinem Mann reden? Da müssen Sie leider…«
»Nein, nein, wir wollten schon zu Ihnen.«
»Dann kommen Sie herein.«
Auf dem beleuchteten Klingelschild standen die beiden Namen der Bewohner. Die Frau hieß Fiona.
Sie ging vor uns her. Der Flur war sehr schmal, ebenso die Treppe, die nach oben führte und aus hellem Holz gezimmert war. Überall gab es Winkel und Ecken. Schmale Türen und einen offenen Bogen, hinter dem das Wohnzimmer lag. Und das in einem Anbau, den wir schon von draußen gesehen hatten.
Auch hier gab es einen mit Holz belegten Boden. Die Couch und die Sessel waren nicht zu groß. Sie strahlten Gemütlichkeit aus. Im großen Fernseher lief irgendeine Show mit Madonna, die allerdings schnell verschwand, als Fiona Harris das Ding abstellte. Sie bot uns Plätze an und auch etwas zu trinken. »Ich habe frischen Kaffee zur Hand.«
Da sagte ich nicht nein. Ich bekam ihn aus der Espressomaschine, die im Nebenraum stand. Das Zischen hörten wir bis ins Wohnzimmer.
Fiona Harris knipste eine Stehleuchte an, die wie ein übergroßer Pilz aussah und ließ sich ebenfalls nieder. Sie selbst trank auch Kaffee und schlug die Beine übereinander, um eine lässige und bequeme Sitzhaltung einzunehmen.
»Jetzt bin ich aber gespannt, was mir die Ehre Ihres Besuchs verschafft, denn damit hätte ich überhaupt nicht gerechnet.«
Da ich gerade trank, übernahm Suko die Antwort. »Es geht um Ihren Mann, Mrs. Harris.«
»Bitte?«
»Ja. Über ihn möchten wir mit Ihnen sprechen.«
Sie schüttelte den Kopf. Die glatte Stirn zeigte plötzlich ein Muster aus Falten. »Bevor wir anfangen, möchte ich Sie fragen, ob Sie eventuell vom psychologischen Dienst sind. Den gibt es, das weiß ich. Viele Kollegen haben ein Burnout-Syndrom. Der Dienst macht sie fertig. Da sind dann die Kollegen vom…«
»Daher kommen wir nicht.«
Sie lächelte. »Da hätten Sie bei mir und meinem Mann auch kaum Glück gehabt. Der Job ist zwar stressig. Nicht nur am Tage, sondern auch in der Nacht, aber bisher haben wir ihn gut geschafft. Das heißt, mein Mann hat es.«
»Sind Sie auch berufstätig?«
»Hin und wieder, Inspektor. Ich bin Hebamme. Man holt mich, wenn Not am Mann ist.«
»Ja«, sagte ich gedehnt, »wie gesagt, es geht uns um Ihren Mann. Wir möchten Sie fragen, ob er sich in den letzten Wochen verändert hat. Ob er sich anders verhielt. Beruflich und privat.«
Fiona gab noch keine
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