1299 - Zeit der Bestie
zwischen uns nahm immer mehr zu.
Ich schoss nicht. Aber Suko feuerte hinter mir. Zwei Schüsse hörte ich. In der kalten Luft hallten sie nach, aber sie brachten leider keinen Erfolg, denn der Bestie gelang es, zu entkommen. Sie war bereits hinter einem Gebüsch abgetaucht, und wir würden auch mit einer Verfolgung nichts erreichen.
Ich war einige Schritte nach vorn gegangen und stehen geblieben. Ob jemand die Schüsse gehört hatte, war nicht feststellbar. Wir erlebten keine Reaktion. Im Krankenhaus wurden weder eine Tür noch ein Fenster aufgerissen.
Dass Suko hinter mir stand, merkte ich, als sein warmer Atem meinen Nacken streifte. »Er ist einfach zu plötzlich gekommen, John, und war dann zu schnell.«
»Leider.«
Ich war wütend. Ich hatte die Chance gehabt, aber auch das Monster hatte sie nicht wahrnehmen können. Ich fragte mich, warum wir angegriffen worden waren.
Wusste es mehr? Hatte es gespürt, dass sich hier zwei Verfolger aufgemacht hatten, vor denen es sich fürchten musste?
Das konnte durchaus sein, aber es war müßig, sich darüber Gedanken zu machen.
»Mal eine andere Frage, John.«
»Ja bitte.«
»Hast du ihn oder es erkannt?«
Ich drehte mich Suko zu. »Wie meinst du das denn?«
»War er ein Werwolf?«
Wäre es anders herum gewesen, dann hätte ich Suko diese Frage ebenfalls gestellt. Nun hatte ich damit meine Probleme. Ich konnte es wirklich nicht sagen und zuckte die Achseln. »Es ging alles verdammt schnell, aber wenn ich ehrlich sein soll, dann muss ich sagen, dass er oder es nicht unbedingt ein Werwolf gewesen sein muss. Ich glaube, ein menschliches Gesicht gesehen zu haben.«
Suko überlegte einen Moment. »Und was ist mit dem Rest des Kopfes gewesen?«
Ich hob die Schultern.
»Kein Werwolf also?«
»Nicht direkt.«
»Was dann?«
»Verdammt, ich weiß es nicht. Das Gesicht sah noch menschlich aus, das wiederhole ich. Aber da waren die Augen. Sie erinnerten mich an zwei gelbe Lichter.«
»Nichts Neues.«
»Eben. Aber das Gesicht besaß keine vorgeschobene Schnauze. Dir brauche ich ja keinen Werwolf zu beschreiben. Meines Erachtens wies es noch recht menschliche Züge auf.«
»Hast du auch das Gebiss gesehen?«
»Nicht wirklich. Also keine Details. Aber ich kann dir sagen, dass ich es von Menschen her nicht kenne. Das Maul stand ja offen, und da sah ich schon die Zähne. Einige hätten sehr wohl Stifte oder Pfeile sein können.«
»Womit er auch leicht Wunden reißen kann.«
»Klar.«
Suko nickte vor sich hin. »Dann wissen wir jetzt, wer Gordon Moore umgebracht hat.«
Prinzipiell lag Suko schon richtig. Ich ärgerte mich nur darüber, dass ich nicht genau erkannt hatte, wer dieser verdammte Killer war. Ein Mensch kam nicht in Frage, es musste eine Mutation gewesen sein. Nur welcher Art?
»Kann es sein, John, dass es jemand ist, der sich in der Verwandlungsphase befindet und erst dabei ist, zu einem Werwolf zu werden.«
»Das ist möglich.«
»Dann übt er noch.«
»Nein, Irrtum. Bei Gordon Moore hat er nicht geübt, sondern brutal gemordet.«
»Stimmt auch wieder.«
»Und wir müssen damit rechnen, dass es nicht die einzige Tat ist. Andere können folgen, John.« Suko schaute zum klaren Himmel. »Der Mond ist noch nicht ganz voll. Es kann sein, dass wir noch einige Überraschungen erleben werden, wenn es dann das richtige Werwolf- oder Vampirwetter ist. Ein klarer Himmel, ein voller Mond, die Voraussetzungen sind eigentlich optimal.«
Ja, das stimmte schon. Das waren sie. Und mein Gefühl sagte mir, dass da noch einiges auf uns zukam. Hoffentlich nicht mit zu vielen Toten.
Ich ging zurück zum Rover. Diesmal öffnete ich die Tür. Suko ließ es nicht zu, dass ich einstieg. Er musste noch eine Frage loswerden. »Du hast doch sein Gesicht gesehen, nicht wahr?«
Ich wiegte den Kopf. »Was man so sehen nennt.«
»Egal. Aber es war menschlich?«
»Stimmt.«
»Hast du es vielleicht erkannt?«
Ich schaute ihn über das Wagendach hinweg nur an, und mein Blick war nicht eben freundlich.
Das stellte Suko auch fest. »Nun sei nicht sauer. Es kann doch so gewesen sein, dass dir das Gesicht bekannt vorgekommen ist. Schließlich kennen wir einige Leute.«
Ich schwieg. Suko ließ sich das einige Sekunden gefallen. Dann motzte er mich an. »He, warum sprichst du nicht?«
Ich legte meine angewinkelten Arme auf das eiskalte Wagendach. »Ob du es glaubst oder nicht, aber ich denke darüber tatsächlich nach.«
»Dann mach mal.«
Auf seinen lockeren Ton ging ich
Weitere Kostenlose Bücher