Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

Titel: 13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
finden!“
    Da drängte Nasir Agassi, der Adjutant, sein Pferd zu ihm heran und sagte ihm einige Worte. Der Oberst deutete auf mich und fragte:
    „Dieser wäre es gewesen?“
    „Er war es. Er gehört nicht zu den Feinden; er ist zufällig ihr Gast und hat mir das Leben gerettet.“
    „So werden wir weiter darüber reden. Jetzt aber kommt in jenes Gebäude!“
    Sie ritten nach dem Tempel der Sonne, stiegen vor demselben ab und traten ein.
    Mittlerweile war der Parlamentär, von Fels zu Fels springend, in grader Linie herab in das Tal und über den Bach herübergekommen. Er trat auch in den Tempel ein. Kein Schuß fiel; es herrschte Ruhe, und nur der Schritt der Soldaten ertönte, welche sich von dem oberen Teil des Tales, wo sie sich zu sehr bloßgestellt sahen, mehr nach unten ausbreiteten.
    Wohl über eine halbe Stunde verging. Da trat der Parlamentär wieder in das Freie, aber nicht allein, sondern er wurde – geführt. Man hatte ihn gebunden. Der Miralai, welcher auch am Eingang des Gebäudes erschien, blickte sich um, sah den Scheiterhaufen und deutete auf denselben. Es wurden zehn Arnauten herbeigerufen; diese nahmen den Mann in ihre Mitte und schleppten ihn zum Holzstoß. Während mehrere ihn hielten, griffen die andern nach ihren Gewehren – er sollte erschossen werden.
    „Halt!“ rief ich zum Obersten hinüber. „Was willst du tun? Er ist ein Abgesandter, also eine unverletzliche Person!“
    „Er ist ein Rebell, wie du. Erst er, dann du; denn nun wissen wir, wer die Artilleristen überfallen hat!“
    Er winkte; die Schüsse krachten; der Mann war tot. Da aber geschah etwas, was ich nicht erwartet hatte: durch die Soldaten drängte sich ein Mann. Es war der Pir Kamek. Er erreichte den Scheiterhaufen und kniete bei dem Toten nieder.
    „Ah, ein zweiter!“ rief der Oberst und schritt hinzu. „Erhebe dich und antworte mir!“
    Weiter konnte ich nichts hören, denn die Entfernung wurde zu groß. Ich sah nur die feierlichen Gesten des Pir und die zornigen des Miralai. Dann bemerkte ich, daß der erstere die Hände in den Haufen steckte, und einige Sekunden später züngelte eine Flamme blitzschnell an demselben empor. Eine Ahnung durchzuckte mich. Großer Gott, sollte er ein solches Opfer, eine solche Strafe, eine solche Rache an dem Mörder seiner Söhne und seines Weibes gemeint haben!
    Er wurde ergriffen und von dem Haufen weggerissen, aber bereits war es zu spät, die Flamme zu löschen, die in dem Erdpeche eine fruchtbare Nahrung gefunden hatte. In der Zeit von kaum einer Minute war sie bereits zur hellen Lohe geworden, welche hoch zum Himmel schlug.
    Der Pir stand umringt und festgehalten; der Miralai schien den Platz verlassen zu wollen. Da aber kehrte er um und ging zu dem Priester zurück. Sie sprachen zusammen, der Oberst erregt, der Pir aber ruhig und mit geschlossenen Augen. Doch plötzlich öffnete er sie, warf die zwei, welche ihn hielten, von sich und packte den Oberst. Mit der Körperkraft eines Riesen hob er ihn empor – zwei Sprünge, und er stand vor dem Scheiterhaufen; noch einer – sie verschwanden in der lohnenden Glut, die über ihnen zusammenschlug. Eine Bewegung im Innern derselben ließ vermuten, daß die beiden dem Flammentod Geweihten miteinander kämpften; der eine, um sein Leben zu retten, der andere, um ihn sterbend festzuhalten.
    Es war mir, als sei ich bei der grimmigsten Winterkälte in das Wasser gestürzt. Also darum war dieser Tag ‚der wichtigste seines Lebens‘, wie er, der Priester, zu mir gesagt hatte! Ja, der wichtigste Tag des Lebens ist derjenige, an welchem man dieses Leben verläßt, um sich den brandenden Fluten der Ewigkeit anzuvertrauen. Also diese fürchterliche Rache an dem Miralai war das ‚letzte Wort‘, welches seine Hand verzeichnen sollte in jenes Buch, darinnen verzeichnet steht die blutige Geschichte der Dschesidi, der Verachteten und Verfolgten? Also dieses Feuer war das ‚Element‘, in dem sein Leib begraben werden sollte, und dem er darum auch sein Kleid überlassen wollte?
    Schrecklich! Ich schloß die Augen. Ich mochte nichts mehr sehen, nichts mehr wissen; ich ging hinunter in die Stube und legte mich auf das Polster, mit dem Gesicht an die Wand. Noch einige Zeit lang war es draußen verhältnismäßig ruhig, dann aber begann das Schießen von neuem. Mich ging das nichts an. Wenn mir Gefahr drohte, würde mich Halef ganz sicher benachrichtigen. Ich sah nur die langen weißen Haare, den wallenden schwarzen Bart und die

Weitere Kostenlose Bücher