13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
gestehe ich, mit einem Gefühl der Beschämung; denn wir hatten uns alle wieder einfangen lassen. Da aber erscholl ein Ruf des Erstaunens: – es erschien ein Reiter, den man zu erblicken wohl nicht erwartet hätte: Master Lindsay.
Er blickte sich um, sah uns und kam auf uns zugeritten.
„Ah, Sir! Auch wieder da?“ fragte er erstaunt.
„Ja. Good day, Master Lindsay!“
„Wie kommt Ihr wieder her? Waret ja über alle Berge.“
„Wenigstens nicht so freiwillig wie Ihr.“
„Freiwillig? Mußte ja!“
„Warum?“
„He! Schauderhafte Lage! Weiß nur, was Esel heißt und Maulschelle im Kurdischen, und soll ganz allein durch dieses Land reiten! Sah, daß alles wieder gefangen wurde, und bin langsam hinterher geritten.“
„Wo habt Ihr gesteckt, als man die andern erwischte?“
„War ein wenig vorangekommen, weil mein Pferd besser laufen konnte als die andern. Aber wohin wart Ihr verschwunden?“
„Sir, ich habe heute eine der gefährlichsten Stunden meines Lebens gehabt; das könnt Ihr mir glauben. Steigt ab. Ich werde es Euch erzählen!“
Er ließ sein Pferd laufen und setzte sich zu uns. Ich erzählte ihm meinen Ritt über den Felsensteig.
„Master“, meinte er, als ich fertig war, „das ist heut ein schlimmer Tag, ein sehr schlimmer! Well! Habe keine Lust, gleich wieder auf Bärenjagd zu gehen! Yes!“
Auch zwischen mir und dem Bey nebst Halef und Amad el Ghandur gab es viel zu erzählen. Der erste hoffte, daß Mohammed Emin nach Gumri geeilt sei, um Hilfe zu holen, und freute sich bereits darauf, daß die Nestorah noch hier im Lager überfallen würden; aber seine Erwartungen erfüllten sich nicht.
Es wurde bald, nachdem wir einen frugalen Imbiß von unsern Besiegern erhalten hatten, aufgebrochen. Man nahm uns in die Mitte, und der Zug setzte sich in Bewegung, um ganz dieselben Wege zu passieren, die ich mit dem Engländer bereits zweimal zurückgelegt hatte. Durch die Beerdigung der liegengebliebenen Kurden trat eine Verzögerung ein, dann aber ging es so schnell vorwärts, daß wir noch vor Einbruch der Nacht den Weiler erreichten, in welchem der Bruder des Melek wohnte.
Dort wurden wir auf eine nicht sehr freundliche Weise empfangen. Die Nestorah, denen wir hier entkommen waren, hatten sich nach einer kurzen und erfolglosen Verfolgung in dieses Haus zurückbegeben. Sie empfingen ihre Kameraden mit großem Jubel, uns aber mit drohenden Worten und Blicken. Der Bruder des Melek stand an der Tür, um denselben zu begrüßen.
„Hast du den großen Helden wiedergefangen, der so tapfer ist, daß er am liebsten flüchtet? Er ist rückwärts gelaufen wie ein Keftschinik (Krebs), der nur unreines Fleisch verzehrt. Binde ihm die Hände und Füße, damit er nicht nochmals entlaufen kann!“
So fragte höhnisch der Bruder des Melek.
Das durfte ich mir allerdings nicht bieten lassen. Nahm ich eine solche Beleidigung ruhig hin, so war es ganz sicher um den Respekt geschehen, dessen wir so notwendig bedurften. Darum gab ich Halef die Zügel meines Pferdes und trat hart an den Sprecher heran:
„Mann, du hast zu schweigen! Wie kann ein Lügner und Verräter es wagen, ehrliche Leute zu beschimpfen!“
„Was wagest du!“ schrie er mich an. „Einen Verräter nennst du mich? Sage noch einmal dieses Wort, so schlage ich dich zu Boden!“
Ich antwortete kühl, aber ernst:
„Versuche doch einmal, ob du dies zustande bringst! Ich habe dich einen Lügner und Verräter genannt, und das bist du auch. Du nanntest uns deine Gäste, um uns sicher zu machen, und nahmst uns dann gefangen, um mein Pferd zu stehlen. Du bist nicht nur ein Lügner und Verräter, sondern auch ein Dieb, der seine Gäste betrügt.“
Da erhob er die Faust; aber noch ehe er zu schlagen vermochte, lag er am Boden, ohne daß ich ihn angerührt hatte. Mein Hund war jeder seiner Bewegungen gefolgt und hatte ihn niedergerissen. Er stand über ihm und legte seine Zähne so fühlbar an die Gurgel des Mannes, daß dieser weder einen Laut noch eine Bewegung wagte.
„Rufe den Hund zurück, sonst steche ich ihn nieder!“ befahl mir der Melek.
„Versuche es!“ antwortete ich. „Ehe du das Messer erhebst, ist dein Bruder zerrissen, und du liegst an seiner Stelle an der Erde. Dieser Hund ist ein Slogi von der reinsten Rasse. Siehst du, daß er dich bereits im Auge hat?“
„Ich gebiete dir, ihn wegzurufen!“
„Gebieten? Pah! Ich habe dir gesagt, daß wir dir nach Lizan folgen wollen, ohne Gebrauch von unsern Waffen zu machen; aber
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