13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
Gewehre geben müssen, damit ihr nicht ferneren Schaden anrichtet.“
„Und was wird dann geschehen?“
„Ich will über die anderen zu Gericht sitzen; dich aber werde ich meinem Bruder überlassen. Du hast sein Blut vergossen; also gehört das deinige nun ihm.“
„Sind die Chaldani (So nennen sich die Nestorianer Kurdistans am liebsten) Christen oder Barbaren?“
„Das geht dich nichts an! Gib deine Waffen ab!“
Seine ganze Schar hatte einen weiten Kreis um uns geschlossen, und es war jedes Wort zu hören, welches von uns beiden gesprochen wurde. Bei seinem letzten Befehl griff er nach meiner Büchse.
Ich warf Sir Lindsay einige englische und den andern einige arabische Worte zu, und dann fuhr ich gegen den Melek fort:
„So betrachtest du uns von jetzt an als Gefangene?“
Als er bejahte, erwiderte ich:
„Du Unvorsichtiger! Glaubst du wirklich, daß wir euch fürchten müssen? Wer die Hand gegen einen Emir aus Germanistan erhebt, der erhebt sie doch nur gegen sich selbst. Wisse, nicht ich bin dein Gefangener, sondern du bist der meinige!“
Bei diesen Worten faßte ich ihn mit der Linken beim Genick und drückte ihm den Hals so fest zusammen, daß ihm sofort die Arme schlaff herniederhingen, und sogleich bildeten die Gefährten mit nach auswärts gerichteten schußfertigen Waffen einen Kreis um mich. Dies geschah so schnell und unerwartet, daß die Nestorianer ganz sprachlos auf uns starrten. Ich benutzte diese jedenfalls nur kurze Pause und rief ihnen zu:
„Seht ihr den Melek hier an meinem Arm hängen? Es bedarf nur noch eines einzigen Druckes, so ist er eine Leiche, und dann wird die Hälfte von euch durch unsere verzauberten Kugeln sterben. Kehrt ihr aber ruhig an eure Feuer zurück, so lasse ich ihm das Leben und werde mit ihm auch in Güte verhandeln. Merkt auf! Ich zähle bis drei. Steht dann noch ein einziger an seiner jetzigen Stelle, so ist der Melek verloren! – Je –, du –, seh –, eins –, zwei –, drei – – –“
Ich hatte das letzte Wort noch nicht ausgesprochen, so saßen die Chaldäer alle an den Feuern auf ihren früheren Plätzen. Das Leben ihres Anführers hatte demnach einen großen Wert für sie. Wären Kurden an ihrer Stelle gewesen, so wäre mir das gefährliche Experiment ganz sicher nicht so wohl gelungen. Nun aber ließ ich den Melek los. Er fiel mit matten Gliedern und krampfhaft verzerrtem Angesicht zu Boden, und es dauerte einige Zeit, ehe er sich wieder vollständig bei Atem befand. Er hatte das Haus verlassen, ohne eine einzige Waffe zu sich zu nehmen, und nun stand ich vor ihm und richtete den Revolver scharf nach seinem Herzen.
„Wage es nicht, dich zu erheben!“ gebot ich ihm. „Sobald du es ohne meine Erlaubnis tust, wird dich meine Kugel treffen.“
„Chodih, du hast mich belogen!“ stöhnte er, indem er mit beiden Händen seinen Hals untersuchte.
„Ich weiß nichts von einer Lüge“, antwortete ich ihm.
„Du hast mir versprochen, deine Waffen nicht zu gebrauchen!“
„Das ist wahr; aber ich habe dabei vorausgesetzt, daß wir nicht feindlich behandelt würden.“
„Du hast mir auch versprochen, daß du nicht fliehen willst!“
„Wer hat dir gesagt, daß wir fliehen wollen? Verhaltet euch als Freunde, so wird es uns bei euch ganz wohl gefallen.“
„Du selbst hast ja die Feindseligkeit begonnen!“
„Melek, du nennst mich einen Lügner und sagst doch soeben selbst eine Lüge. Ihr selbst habt uns und die Kurden von Gumri überfallen. Und als wir im Frieden hier am Feuer lagen, hat dein Bruder auf uns geschossen. Wer also hat die Feindseligkeit begonnen, wir oder ihr?“
„Es galt nur deinem Hund!“
„Deine Gedanken sind ganz kurz, Melek! Mein Hund sollte getötet werden, damit er nicht mehr imstande sei, uns zu schützen. Er hat für mich einen größeren Wert als das Leben von hundert Chaldani. Wer ihm ein Haar krümmt, oder wer nur einen Zipfel unseres Gewandes beschädigt, der wird von uns behandelt, wie der Vorsichtige einen tollen Hund behandelt, den man, um sich zu retten, töten muß. Das Leben deines Bruders stand in meiner Hand; ich habe ihm nur eine Kugel in den Arm gegeben, damit er sein Gewehr nicht wieder meuchlings erheben kann. Auch das deinige gehört mir, und ich habe es dir gelassen. Was wirst du über uns beschließen?“
„Nichts anderes, als was ich dir bereits sagte. Oder weißt du nicht, was die Blutrache bedeutet?“
„Habe ich deinen Bruder getötet?“
„Sein Blut ist
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