Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

Titel: 13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
nun:
    „Welches ist die Botschaft, die du uns auszurichten hast?“
    „Ich habe euch zu sagen, daß der Bey von Gumri der Gefangene des Melek von Lizan ist –“
    „Das wußten wir vorher, dazu brauchst du nicht zu uns zu kommen.“
    „Wenn du in die Dschehennah zu deinen Vätern kommst, so bedanke dich bei ihnen dafür, daß sie dich zu einem so höflichen Mann gemacht haben. Nur bei den Negern und Adschani (bei den Kurden Schimpfnamen für die persischen Schiiten) ist es Sitte, einander nicht vollständig aussprechen zu lassen; dein Codschah (Schulmeister) aber hat die Rute verdient!“ Trotzdem ich die Zurechtweisung also selbst übernommen hatte, zog doch auch der alte Kurde seine Pistole hervor und meinte gleichmütig:
    „Ser babe men – beim Haupte meines Vaters! Vielleicht wird man bald die Stimme dieses Gewehres vernehmen! Fahre weiter fort, Emir!“
    Es war gewiß eine eigentümliche Lage. Wir beiden Fremdlinge wurden gegen den eigenen Anführer in Schutz genommen. Was würde wohl ein zivilisierter Kavallerie-Rittmeister dazu sagen? Solche Dinge können nur im wilden Kurdenland vorkommen! Ich folgte der Aufforderung und redete weiter:
    „Der Melek von Lizan verlangt das Blut des Bey.“
    „Warum?“ fragte es umher.
    „Weil durch die Kurden so viele Chaldani gefallen sind.“
    Diese Behauptung brachte unter meinen Zuhörern eine ganz bedeutende Aufregung hervor. Ich ließ sie einige Zeit gewähren und bat sie dann, mich ruhig anzuhören:
    „Ich bin der Abgesandte des Bey; aber ich bin zu gleicher Zeit auch der Bote des Melek; ich liebe den Bey, und auch der Melek hat mich gebeten, sein Freund zu sein. Darf ich einen von ihnen betrügen?“
    „Nein“, antwortete der Alte.
    „Du hast recht gesprochen! Ich bin fremd in diesem Land; ich habe weder mit euch noch mit einem Nasarah eine Rache und darum muß ich das Wort des Propheten befolgen: ‚Dein Wort sei der Schutz deines Freundes!‘ Ich werde zu euch so sprechen, als ob der Bey und der Melek hier ständen und mit euch redeten. Und Allah wird eure Herzen erleuchten, daß kein ungerechter Gedanke eure Seele verdunkelt.“
    Wieder nahm der Alte das Wort.
    „Rede getrost, Herr; rede auch für den Melek, denn auch er hat dich gesandt. Du wirst nur die Wahrheit sagen, und wir glauben, daß du uns nicht beleidigen und erzürnen willst!“
    „So hört, meine Brüder! Es ist noch nicht viele Jahre her, da gab es ein großes Geschrei auf den Bergen und ein großes Wehklagen in den Tälern; die Menschen weinten auf den Höhen, und die Kinder der Menschen heulten in den Tiefen; das Schwert wütete wie die erste Stunde des jüngsten Tages, und das Meer lag in der Hand des tausendfältigen Todes. Sagt mir, wer führte dieses Schwert und dieses Messer?“
    „Wir!“ erscholl es triumphierend rundum im Kreis.
    „Und wer waren jene, welche untergingen?“
    Dieses Mal kam der Anführer allen zuvor:
    „Die Nasarah, die Allah verderben möge!“
    „Was hatten sie euch getan?“
    „Uns?“ fragte er verwundert. „Sind sie nicht Giaurs? Glauben sie nicht an drei Götter? Beten sie nicht Menschen an, welche längst gestorben sind? Predigen nicht die Ulemas (mohammedanische Priester) die ewige Vernichtung gegen sie?“
    Es wäre hier die größte Unvorsichtigkeit gewesen, theologische Streitfragen aufzugreifen; darum antwortete ich einfach:
    „Also ihr habt wegen ihres Glaubens getötet? Ihr gebt zu, daß ihr sie getötet habt, Hunderte und Tausende?“
    „Viele Tausende!“ sagte er stolz.
    „Nun wohl, ihr kennt die Thar, die Blutrache. Dürft ihr euch wundern, daß die Verwandten der Gemordeten sich jetzt erheben und euer Blut fordern?“
    „Herr, sie dürfen das nicht; sie sind Giaurs!“
    „Du irrst, denn Menschenblut bleibt Menschenblut. Das Blut Abels war nicht das Blut eines Moslems, und dennoch sprach Gott zu Kain: ‚Das Blut deines Bruders schreit mir von der Erde empor.‘ Ich war in vielen Ländern und bei vielen Völkern, deren Namen ihr nicht einmal kennt; sie waren keine Moslemim, aber die Blutrache hatten sie doch, und sie wundern sich nicht darüber, daß auch ihr den Tod der Eurigen rächt. Ich stehe hier als ein unparteiischer Bote; ich darf nicht sagen, daß nur ihr allein das Recht zur Blutrache habt, denn auch eure Gegner haben ihr Leben von Gott erhalten, und wenn sie es nicht gegen euch verteidigen sollen, so seid ihr feige Mörder. Ihr gebt zu, daß ihr Tausende von ihnen getötet habt; nun dürft ihr euch nicht wundern, wenn

Weitere Kostenlose Bücher