13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
Sie werden euch nicht überfallen; sie haben sich über den Zab zurückgezogen und werden die Brücke verteidigen.“
„Weißt du dies genau?“
„Ich selbst habe es ihnen geraten.“
Er blickte finster vor sich hin, und auch aus dem Kreis rings umher wurde mancher mißbilligende Blick auf mich geworfen. Dann entschied er sich:
„Herr, ich werde tun, was du verlangst; aber glaube nicht, daß wir von einem Fremden einen schlechten Rat annehmen werden!“
„Das tu, wie du willst! Laß einen freien Platz aufsuchen, wo wir Raum genug haben, um die Versammlung überblicken zu können. Die Assiretah (Auserlesene, hervorragende Krieger), mögen zur Beratung kommen, die anderen aber sollen den Ort bewachen, damit ihr keine Sorge zu haben braucht.“
Er gab die nötigen Befehle, und nun kam reges Leben in die Leute. Dabei hatte ich Zeit, einige Worte mit Mohammed Emin zu sprechen. Ich erzählte ihm unsere Erlebnisse seit unserer Trennung und wollte ihn nun auch nach den seinigen fragen, als gemeldet wurde, daß ein passender Platz gefunden sei. Wir mußten aufbrechen.
„Sihdi“, sagte der Haddedihn, „ich danke dir, daß du diesem Kiaja gezeigt hast, daß wir Männer sind!“
„Hat er dies an dir nicht auch bemerkt?“
„Herr, ich habe kein solches Glück wie du. Ich wäre von diesen Männern zerrissen worden, wenn ich ihm nur halb so viel gesagt hätte wie du. Und dann bedenke, daß ich nur wenige kurdische Worte reden kann; sie aber haben nur einige unter sich, die etwas Arabisch verstehen. Dieser Kiaja muß ein berüchtigter Dieb und Räuber sein, weil sie solchen Respekt vor ihm haben.“
„Nun, du siehst, daß sie mich nicht weniger achten, obgleich ich kein Dieb und Räuber bin. Wenn er mich beleidigt, schlage ich ihm ins Gesicht; das ist das ganze Geheimnis der Scheu, die sie vor mir haben. Und das merke dir, Mohammed Emin: – nicht die Faust allein tut es, sondern wer einen guten, fruchtbaren Hieb austeilen will, bei dem muß zugleich auch der Blick des Auges und der Ton der Stimme ein Schlag sein, der den Gegner niederstreckt. Komm, man erwartet uns; wir trennen uns nicht wieder.“
„Welche Vorschläge hast du zu machen?“
„Du wirst die hören.“
„Aber ich verstehe euer Kurdisch nicht.“
„Ich werde dir das Nötigste von Zeit zu Zeit verdolmetschen.“
Wir gelangten zwischen den weit auseinanderstehenden Büschen und Bäumen hindurch an eine Lichtung, die genug Raum zur bequemen Verhandlung bot. Rundum waren die Pferde angebunden. Etwa zwanzig martialische Krieger saßen mit dem Agha in der Mitte des Platzes; die übrigen aber hatten sich ehrerbietig zurückgezogen, entweder bei den Pferden oder tiefer im Busch stehend, um für unsere Sicherheit zu sorgen. Es war ein malerischer Anblick, den diese sonderbar gekleideten Kurden mit ihren so verschieden aufgeschirrten Tieren boten; doch hatte ich keine Zeit, weitere Betrachtungen darüber anzustellen.
„Herr“, begann der Agha, „wir sind bereit, zu hören, was du uns zu sagen hast. Aber gehört dieser auch mit zu den Assiretah?“
Er deutete dabei auf Mohammed Emin. Diesen bös gemeinten Hieb mußte ich sofort zurückgeben.
„Mohammed Emin ist der berühmte Emir der Beni Haddedihn vom Stamme der Arab-esch-Schammar. Er ist ein weiser Fürst und ein unüberwindlicher Krieger, dessen grauen Bart selbst der Ungläubige achtet. Noch niemand hat es gewagt, ihn vom Pferde zu werfen oder ihm den Fuß auf den Leib zu legen. Sage noch ein einziges Wort, welches mir nicht gefällt, so kehre ich zum Bey zurück, nehme dich aber vor mich auf das Pferd und lasse dir in Lizan die Fußsohlen peitschen!“
„Herr, du wolltest in Frieden mit mir reden!“
„So halte du selbst diesen Frieden, Mensch! Zwei Emire wie Mohammed Emin und ich lassen sich von tausend Männern nicht beleidigen. Mit unseren Waffen brauchen wir dein ganzes Land Chal nicht zu fürchten. Wir stellen uns unter das Odschag (Schutz, Hausrecht) dieser Berwari-Kurden, die nicht zugeben werden, daß die Freunde ihres Beys beleidigt werden.“
Wer das Odschag anruft, dem ist der beste Schutz auf alle Fälle sicher, und so erhob sich auch sofort der älteste Krieger, nahm Mohammed und mich bei der Hand und beteuerte mit drohender Stimme:
„Wer diese Emire kränkt, der ist mein Feind. Ser babe men – beim Haupte meines Vaters!“
Dieser Schwur des angesehensten Kurden war kräftig genug, uns von jetzt an gegen die Beleidigungen des Kiaja zu schützen. Dieser fragte
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