13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
ein Mahl einzunehmen, das uns sein Weib bereitete. Er war mit den Gewehren sehr zufrieden und zeigte sich ganz besonders erfreut über den Säbel des Kaimakam, den Ali Bey mir als Extrageschenk für ihn mitgegeben hatte. Mohammed Emin fand an den Badinankurden ein solches Wohlgefallen, daß er sich entschloß, hier zurückzubleiben und mich zu erwarten, obgleich er nicht Kurdisch verstand. Ich versuchte nicht, ihm abzuraten, da seine Anwesenheit in Scheik Adi doch noch von den Türken bemerkt und dann der eigentliche Zweck unseres Rittes in die Berge gefährdet werden konnte. Ich kehrte also ohne ihn zurück.
Der Tag war doch so ziemlich vergangen, als ich wieder bei Ali Bey anlangte und ihm von den Badinan berichtete. Ich bemerkte, daß die Türken sich mehr nach der Mitte des Tals zurückgezogen und das Heiligtum also freigegeben hatten.
„Wann beginnt die Feier?“ fragte ich den Bey.
„Sobald es dunkel geworden ist. Nimm deine Gewehre mit; es wird viel geschossen.“
„Gib mir eins von den deinigen. Ich muß meine Patronen schonen, die ich hier nicht durch neue ersetzen kann.“
Ich war wirklich sehr neugierig auf diese Begräbnisfeierlichkeit, deren Zeuge ich werden sollte. Es war ja sehr leicht möglich, daß vor mir noch niemals ein Europäer dem Begräbnis eines der angesehensten Teufelsanbeter beigewohnt hatte. Ich saß an der Kante des Tals und blickte hinab, bis sich die Schatten der Nacht niedersenkten. Da leuchteten rundum die Wachtfeuer wieder auf, und zugleich wuchs über dem Heiligtum langsam eine Doppelpyramide von Lichtern empor, grad so wie am ersten Abend, den ich in Scheik Adi zugebracht hatte. Die beiden Türen des Grabmals wurden mit Lampen behangen.
„Komm!“ ermunterte mich Ali Bey, der mit einigen Bevorzugten zu Pferde stieg.
Der Baschi-Bozuk blieb zurück. Halef begleitete uns. Wir ritten in das Tal hinab und langten vor dem Heiligtum an, welches vollständig erleuchtet worden war. Der Platz vor demselben wurde von einer doppelten Reihe bewaffneter Dschesidi eingeschlossen, um jedem Türken den Zutritt zu versagen. Im Heiligtum selbst befand sich nur Mir Scheik Khan mit den Priestern; andern außer Ali Bey und mir war der Eintritt nicht gestattet. Im innern Hofe standen zwei eng nebeneinander gekoppelte Maultiere, die ein quer über ihre Rücken liegendes Gestell trugen, auf welchem die Urne befestigt war. Um diese beiden Tiere hatten die Priester einen Kreis gebildet. Sie begannen bei unserm Erscheinen in sehr langsamen Tempo einen monotonen Gesang, in welchem die Worte ‚dschan de dim – ich gebe meine Seele hin‘ sehr oft wiederkehrten. Nach demselben wurden die Maultiere mit Wasser aus dem heiligen Brunnen getränkt und erhielten einige Handvoll Körner, um anzudeuten, daß der, den sie trugen, eine weite Reise vor sich habe. Nun machte der Mir Scheik Khan einige Zeichen mit der Hand, deren Bedeutung ich nicht verstand, und jetzt begann ein zweiter Gesang, leise und harmonisch. Er hatte vier Absätze, deren jeder mit den Worten: „Tu Chode dehabini, keif in im – du liebst Gott, genieße Ruhe“ begann. Leider verstand ich zu wenig Kurdisch, um das Ganze begreifen und merken zu können.
Als dieser Gesang beendet war, gab der Khan ein Zeichen. Er stellte sich an die Spitze; zwei Scheiks nahmen die Maultiere am Zügel; ihnen folgten paarweise die andern Scheiks und Kawals, denen sich Ali Bey mit mir anschloß. Der Zug setzte sich in Bewegung und wurde, als er aus dem Heiligtum trat, von einer Salve der Wachehaltenden empfangen.
Sofort krachten auf den Höhen Hunderte von Schüssen, und aber Hunderte trugen die Botschaft, daß wir aufgebrochen seien, dem Tal Idiz entgegen.
Wir zogen langsam zur Höhe empor. Als wir den Weg nach dem Tal erreichten, bot sich uns ein zauberischer Anblick dar. Die Dschesidi hatten von Scheik Adi bis Idiz ein Spalier gebildet, dessen Doppelglieder ungefähr dreißig Schritte auseinander standen. Jeder dieser Männer trug eine Fackel und eine Flinte, und jedes dieser Glieder schloß sich unter Abfeuern der Gewehre hinter uns an. So bildete sich ein Zug, der mit jedem Augenblick und mit jedem Schuß immer länger wurde. Das Licht der Fackeln schmückte den dunklen Wald, welcher hier meist aus hohen Eichen bestand, mit unbeschreiblichen Tinten, und der Donner der Salven wurde von den dunklen Gründen des tiefen Forstes ununterbrochen zurückgeworfen.
Wahrhaft überwältigend aber wurde das Schauspiel, als wir endlich das Tal erreichten.
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