13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
unserer Rechten zwölf Erzbischöfe und zu unserer Linken zwanzig Bischöfe, außerdem noch der Patriarch von Sankt Thomas, der Protopapas von Salmas und der Archiprotopapas von Susa, in welcher Stadt der Thron unseres Ruhms und unser kaiserlicher Palast sich befindet. Äbte, der Zahl nach mit den Tagen des Jahres im Einklang, verwalten das geistliche Amt vor uns in unserer Kapelle. Unser Mundschenk ist ein Primas und König; unser Haushofmeister ist ein Erzbischof und ein König; unser Kammerherr ist ein Bischof und König; unser Marschall ist ein Archimandrit und ein König; wir aber nehmen einen niedrigeren Rang und einen demütigeren Namen an, auf daß wir unsere große Demut zeigen.“ –
So lautet im Auszug ein Brief, den der berühmte, aber geschichtlich vielleicht doch fragliche Tatarenkönig Presbyter Johann an den griechischen Kaiser geschrieben hat oder doch geschrieben haben soll. Mag der Brief untergeschoben sein oder nicht, er enthält neben verschiedenen belustigenden Merkwürdigkeiten, die ihren Grund in den falschen Anschauungen früherer Jahrhunderte haben, doch auch Tatsachen und Einzelheiten, welche von Marco Polo, Sir John Mandeville und andern Reisenden oder Forschern bestätigt worden sind, und ich wurde lebhaft an ihn erinnert, als ich jetzt auf der östlichen Höhe von Scheik Adi hielt und einen Blick nach Morgen richtete, wo sich die Berge von Surgh, Zibar, Hair, Tura Ghara, Baz, Dschelu, Tkhoma, Karitha und Tijari erhoben.
In den Tälern, welche zwischen ihnen liegen, wohnen die letzten jener christlichen Sektierer, denen dieser Tatarenkönig angehörte. Zu seiner Zeit waren sie mächtig und einflußreich; die Sitze ihrer Metropolitanen lagen über den ganzen asiatischen Kontinent zerstreut, von den Küsten des kaspischen Meeres bis zu den chinesischen Seen und von den allernördlichsten Grenzen Skythiens bis zum äußersten südlichen Ende der indischen Halbinsel. Sie waren die Ratgeber Mohammeds und seiner Nachfolger. Die christlichen Anklänge des Koran sind meist ihren Büchern und Lehren entnommen. Aber mit dem Fall der Kalifen brach auch ihre Macht zusammen und zwar mit reißender Schnelligkeit; denn ihre innere, geistliche Konstitution entbehrte der göttlichen Reinheit, welche die Kraft eines unbesiegbaren Widerstandes verleiht. Bereits unter der Regierung des Kassan, der ein Sohn des Arghun und ein Enkel des berühmten Eroberers von Baghdad, Hulaku Khan, war, begannen die Verfolgungen gegen sie. Dann aber brach der große Tamerlan unbarmherzig über sie herein. Mit unersättlicher Wut verfolgte er sie, zerstörte ihre Kirchen und brachte alle, denen es nicht gelang, in die unzugänglichen Berge Kurdistans zu entkommen, mit dem Schwert um. Die Urenkel dieser Entkommenen leben noch heute an Plätzen, die Festungen verglichen werden können. Sie, die Überreste des einst so mächtigen assyrischen Volkes, sehen allzeit das Schwert der Türken und den Dolch der Kurden über sich schweben und haben in neuerer Zeit Grausamkeiten zu ertragen gehabt, bei deren Erzählung sich die Haare sträuben. Einen großen Teil der Schuld daran haben jedenfalls jene überseeischen Missionare zu tragen, die ihren Schul- und Bethäusern das Ansehen von Fortifikationen gaben und dadurch das Mißtrauen der dortigen Machthaber erweckten. Damit und durch ähnliche Unvorsichtigkeiten haben sie sowohl ihrem Werk als auch den Anhängern desselben gleich großen Schaden bereitet.
Auf meinem Ritt nach Amadijah kam ich voraussichtlich auch in Ortschaften, die von diesen chaldäischen Christen bewohnt wurden; Grund genug, an jenen Brief zu denken, der ihre Vergangenheit am lebhaftesten illustriert. Einst Minister und Berater von Fürsten und Kalifen, sind sie jetzt, soweit sie nicht zur heiligen christkatholischen Kirche zurückgekehrt sind, so ohne alle innere und äußere Kraft, daß Männer wie der berüchtigte Beder Khan Bey und sein Verbündeter Abd el Summit Bey die fürchterlichsten Metzeleien unter ihnen anrichten konnten, ohne den geringsten Widerstand zu finden. Und doch hätte das schwer zugängliche Terrain, das sie bewohnen, ihnen die erfolgreichste Verteidigung an die Hand gegeben.
Wie ungleich männlicher hatten sich dagegen die Dschesidi verhalten!
Nach jener Flammennacht im Tal Idiz war Ali Bey nach Dscherraijah geritten, scheinbar nur von zehn Männern begleitet. Aber noch vor seinem Aufbruch hatte er eine hinreichende Anzahl von Kriegern in die Nähe von Bozan vorausgesandt.
Der Mutessarif
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