13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
er auch dann nicht auf mich, so lasse ich ihn seinen geheimen Brief sehen und gebe das Zeichen, ihn zu ergreifen. Während ich bei ihm bin, werden meine Männer Dscherraijah umringen. Er kann mir nicht entgehen.“
„Vielleicht wird er auch Kundschafter senden, um zu erfahren, wie du dich auf die Zusammenkunft mit ihm vorbereitest.“
„Er wird nichts erfahren, denn meine Leute werden bereits während der Nacht von hier abgehen, und zwar nicht auf der Straße über Baadri, sondern rechts bis fast nach Bozan hinüber. Sie werden am Morgen am Bache im Westen von Dscherraijah sein.“
„Und wer wird während deiner Abwesenheit in Scheik Adi befehligen?“
„Willst du es tun?“
„Ich will.“
Das klang so einfach. Hier übergab der weltliche Beherrscher der Dschesidi ihrem geistlichen Regenten seine Gewalt ohne die leiseste Regung einer kleinlichen Eifersucht, ohne alles Mißtrauen und Bedenken. „Willst du?“ fragte der eine. „Ich will“, antwortete der andere. Welchen Klang mag wohl das Wort ‚Kulturkampf‘ in einem der Dialekte dieser Teufelsanbeter haben!
Es wurde nun die Verproviantierung der in Scheik Adi eingeschlossenen Türken besprochen und dann das heutige Fest. Unterdessen wanderte ich von Gruppe zu Gruppe, um einen oder den andern sprachlichen Fund zu tun. Da kam es hinter mir heran gekeucht, und eine nach Atem schnappende Stimme rief:
„Weiche aus, Sihdi!“
Ich wandte mich um. Es war mein Halef, der seine ganze Körperkraft anstrengte, ein mächtiges Felsstück vor sich herzurollen.
„Was tust du hier?“ fragte ich erstaunt.
„Mein Beitrag zum Monument.“
„Wird er angenommen? Du bist ja kein Dschesidi!“
„Sehr gern! Ich habe gefragt.“
„So hole ich auch einen Stein!“
Nicht weit von unserem Standort lag ein ziemlicher Felsbrocken. Ich legte die Waffen und das Oberkleid ab und machte mich daran, ihn fortzuschaffen. Er wurde von den Scheiks mit Dank angenommen und, nachdem ich mit dem Dolch meinen Namen eingegraben hatte, mit Anwendung von Seilen emporgezogen, wo er seine Stellung grad über der Sonne bekam.
Mittlerweile hatte Ali Bey den Zweck seines Besuches erreicht. Er wollte wieder aufbrechen und fragte mich, ob ich ihn lieber begleiten oder lieber hier bleiben wolle.
„Wie werde ich die Feierlichkeit am besten beobachten können?“
„Wenn du mit mir gehst“, antwortete er. „Die Urne wird heute abend beim Glanz der Fackeln und Laternen von Scheik Adi nach dem Tal Idiz übergeführt.“
„Ich denke, sie ist bereits hier!“
„Nein. Sie steht am kühlen Wasser im Walde und wird erst in das Heiligtum gebracht.“
„Trotz der Türken?“
„Sie können uns nicht hindern.“
„So reite ich mit.“
„Du hast bis zum Abend Zeit. Willst du mir eine Liebe erweisen?“
„Gern, im Falle es mir möglich ist!“
„Du weißt, daß ich dem Häuptling der Badinan-Kurden Gewehre versprochen habe. Wirst du den Ort finden, wo er seine Hütten hat?“
„Sehr leicht. Jedenfalls braucht man gar nicht bis dorthin zu reiten, da er den Paß und die Seitentäler besetzen wollte. Es wird übrigens an der Zeit sein, ihm einmal Nachricht zu geben.“
„Willst du dies übernehmen?“
„Ja.“
„Und ihm seine Gewehre bringen?“
„Wenn du sie mir anvertraust.“
„Er soll hundert haben und auch Munition dazu. Drei Maultiere können dies tragen. Wie viele Männer wünschst du als Begleitung?“
„Ist ein Angriff oder sonst eine Feindseligkeit zu erwarten?“
„Nein.“
„Gib mir zehn Krieger mit. Ich werde auch Mohammed Emin mitnehmen, der dort von der Höhe kommt.“
Ich hatte vorhin erfahren, daß der Scheik der Haddedihn auf die Jagd gegangen sei. Ich war überhaupt in den letzten Tagen gar nicht mit ihm zusammengetroffen. Er wollte sich so wenig wie möglich zeigen, damit seine Anwesenheit nicht öffentlich zur Sprache komme, und er hatte wohl auch sein Vorurteil gegen die Teufelsanbeter nicht ganz überwunden. Darum war es ihm lieb, daß er mit mir gleich wieder aufbrechen konnte.
Es währte nur kurze Zeit, so waren die Maultiere beladen, und unser kleiner Zug setzte sich in Bewegung. Zunächst hielten wir auf Scheik Adi zu, und dann wichen wir links ab, um den Weg nach Kaloni zu gewinnen. Meine Vermutung bestätigte sich; ich traf eine Anzahl der Badinankurden bereits auf der ersten Höhe hinter Scheik Adi und wurde von ihnen zu ihrem Häuptling geführt, der mich dieses Mal mit sehr großer Ehrerbietung empfing. Ich mußte bei ihm bleiben, um
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