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13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

Titel: 13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nichts. Er schießt wegen eines Schluck Wassers einen andern ruhig nieder und beugt dann dafür mit derselben Ruhe sein Haupt unter das Schwert des Henkers. Wir hatten diesen Khawaß beleidigt; ein Schuß war ihm zuzutrauen. Dennoch nahm er die Hand von den Pistolen und fragte im Ton der Verwunderung:
    „Du sprichst die Sprache von Schkiperia (So nennen die Albanesen ihr Land)?“
    „Wie du hörst!“
    „Bist du ein Schkipetar?“
    „Nein.“
    „Was sonst?“
    „Ich bin ein Nematz (Deutscher), und ich sage dir, daß die Leute aus Nemacschka (Deutschland) es verstehen, mit deinesgleichen umzuspringen.“
    „Ein Nematz bist du nur? Kein Madschar, kein Rusz, kein Szrbin (Serbe) und kein Turcschin? Obictz-i dschawo-wraga – fahre zum Teufel!“
    Er erhob blitzschnell die Pistole und drückte los. Hätte ich nicht das Auge fest auf die Mündung der Waffe gehalten, so wäre mir die Kugel in den Kopf gegangen; so aber fuhr ich mit dem Kopf rasch zur Seite nieder, und die Kugel ging über mich hinweg. Ehe er den zweiten Lauf abfeuern konnte, hatte ich ihn unterlaufen und preßte ihm die Arme an den Leib.
    „Soll ich ihn erschießen, Sihdi?“ fragte Halef.
    „Nein. Bindet ihn!“
    Um seine Arme nach hinten zu bekommen, mußte ich sie einen Augenblick freigeben. Das benutzte er, riß sich los und sprang davon. Im nächsten Augenblick war er zwischen den Bäumen, welche die Häuser trennten, verschwunden. Alle Anwesenden eilten ihm nach, aber sie kehrten bald wieder zurück, ohne ihn gesehen zu haben.
    Der Schuß hatte auch die andern herbeigelockt.
    „Wer hat geschossen, Sir?“ fragte Lindsay.
    „Euer Khawaß!“
    „Auf wen?“
    „Auf mich.“
    „Ah! Fürchterlich! Weshalb?“
    „Aus Rache.“
    „Ist richtiger Arnaut! Hat getroffen?“
    „Nein.“
    „Ihn erschießen, Sir; sofort!“
    „Er ist entflohen.“
    „Well; laufen lassen! Kein Schade!“
    Damit hatte er allerdings sehr recht. Der Arnaute hatte mich nicht getroffen, warum also blutdürstig sein? Zurück kam er sicherlich nicht wieder, und ein hinterlistiger Anfall stand wohl auch nicht zu befürchten. Der Engländer brauchte nun, da er mich gefunden hatte, weder ihn noch den Dolmetscher, und so wurde auch dieser letztere abgelohnt, und zwar mit der Weisung, daß er morgen früh Spandareh verlassen und nach Mossul zurückkehren könne.
    Die übrige Zeit des Abends verbrachten wir mit den Kurden in lebhafter Unterhaltung, die mit einem Tanz schloß, der uns zu Ehren veranstaltet wurde. Man lud uns ein, in den Hof zu kommen. Dieser bildete ein Viereck, das von einem niederen Dach eingeschlossen wurde, auf dem sämtliche anwesende Männer Platz nahmen. Hier lagen, hockten und knieten sie in den malerischsten Stellungen, während sich gegen dreißig Frauen in dem Hofraum zum Tanz versammelt hatten.
    Sie bildeten einen doppelten Kreis, in dessen Mitte ein Vortänzer stand, der einen Wurfspieß schwang. Das Orchester bestand aus einer Flöte, einer Art von Geige und zwei Tamburins. Der Vortänzer gab das Zeichen zum Beginn durch einen lauten Ruf. Seine Tanzkunst bestand aus den mannigfaltigsten Arm- und Beinbewegungen, die er immer auf ein und derselben Stelle ausführte. Der Kreis der Frauen ahmte dieselben nach. Ich fand nicht, daß diesem einfachen Tanz irgend ein Gedanke, irgend eine Idee zugrunde liege; aber dennoch gewährten diese Frauen mit ihren eckigen Turbanmützen, von denen lange, über den Rücken geschlungene Schleier herabwallten, bei der ungewissen Fackelbeleuchtung einen ganz hübschen Anblick.
    Als dieser einfache Tanz beendet war, gaben die Männer ihre Zufriedenheit durch ein lautes Murmeln zu erkennen, ich aber zog ein Armband hervor und rief die Tochter des Vorstehers, die mich beim Essen bedient hatte und sich jetzt mit unter den Tänzerinnen befand, zu mir herauf. Es bestand aus gelben Glasstücken und hatte das täuschende Ansehen jenes rauchigen, halbdurchsichtigen Bernsteins, der im Orient so beliebt, gesucht und teuer ist. Bei einem deutschen Tabulettkrämer hätte ich dieses Armband mit fünfzig bis sechzig Pfennigen bezahlt; hier aber richtete ich voraussichtlich eine Freude damit an, die mir bedeutend höher angerechnet wurde.
    Das Mädchen kam herbei. Alle Männer hatten gehört, daß ich sie zu mir verlangte, und wußten, daß es sich um eine Belobigung handeln werde. Ich mußte der Höflichkeit meiner Erzieher Ehre zu machen suchen.
    „Komm herbei, du lieblichste Tochter der Kurden von Missuri! Auf deinen Wangen

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