13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
angewiesen worden. Er trat jetzt zu uns herein und – wurde mit einem hellen Gelächter empfangen. Niemand kann sich den Anblick denken, welchen uns der brave Master Lindsay bot. Vom Hals bis herab zu den Füßen war er vollständig rot und schwarz, allerdings noch nicht kariert, und auf dem hohen, spitzigen Kopf saß wie ein umgekehrter Kaffeesack die kurdische Mütze, von welcher lange Bänder wie die Fangarme eines Polypen herabhingen.
„Good morning! Warum lachen?“ grüßte er sehr ernst.
„Vor Freude über Euer außerordentlich amüsantes Exterieur, Sir.“
„Well! Freut mich!“
„Was tragt Ihr hier unter dem Arm?“
„Hier? Hm! Ein Paket, denke ich!“
„Das sehe ich allerdings auch. Was enthält es?“
„Ist mein Hat-box, meine Hutschachtel.“
„Ah!“
„Habe den Hut eingewickelt, auch Gamaschen und Stiefel. Well!“
„Das konntet Ihr alles hier lassen!“
„Hier? Warum?“
„Wollt Ihr Euch mit diesen unnützigen Kleinigkeiten schleppen?“
„Unnütz? Kleinigkeiten? Schauderhaft! Brauche sie doch wieder!“
„Aber wohl nicht gleich.“
„Kehren wir zurück nach hier?“
„Das ist zweifelhaft.“
„Also! Hat-box wird also mitgenommen! Versteht sich!“
Das weite Gewand schlotterte ihm um den hageren Leib wie ein altes Tuch, das man einer Vogelscheuche umgehangen hat. Das störte ihn aber nicht. Er nahm würdevoll an meiner Seite Platz und meinte siegesbewußt:
„Nun bin ich Kurde! Well!“
„Ein echter und richtiger!“
„Famos, ausgezeichnet! Prachtvolles Abenteuer!“
„Eins aber fehlt Euch noch!“
„Was?“
„Die Sprache.“
„Werde lernen.“
„Das geht nicht so schnell, und wenn Ihr uns nicht schaden wollt, so seid Ihr gezwungen, unter zwei Entschlüssen einen zu fassen.“
„Welche Entschlüsse?“
„Entweder Ihr geltet für stumm – – –“
„Stumm? Dumb? Abscheulich! Geht nicht!“
„Ja, für stumm oder gar taubstumm.“
„Sir, Ihr seid verrückt!“
„Danke! Es bleibt aber doch dabei. Also, entweder Ihr geltet für stumm, oder Ihr habt ein Gelübde getan – – –“
„Gelübde? Well! Schöner Gedanke! Interessant! Welches Gelübde?“
„Nicht zu sprechen.“
„Nicht zu reden? Kein Wort? Ah!“
„Kein einziges!“
„Keine Silbe?“
„Keine! Nämlich nur dann, wenn wir beobachtet sind. Befinden wir uns aber allein, so könnt Ihr reden nach Herzenslust.“
„Ist gut! Nicht ganz übel! Werde Gelübde tun! Wann geht es an?“
„Sofort, nachdem wir Spandareh verlassen haben.“
„Well! Einverstanden!“
Nach dem Morgenkaffee erhielten wir noch allerhand Proviant eingepackt; dann stiegen wir zu Pferde. Wir hatten Abschied von allen Mitgliedern des Hauses, außer dem Hausherrn selbst, genommen und sagten auch den andern, die sich versammelt hatten, lebewohl. Der Vorsteher hatte satteln lassen, um uns eine Strecke Weges zu begleiten.
Hinter Spandareh gab es einen sehr beschwerlichen, kaum reitbaren Weg, der uns zu den Tura-Ghara-Bergen emporführte. Es gehörten fast die Füße von Gemsen dazu, diesen Felsenpfad zu überwinden, aber wir langten glücklich auf der Höhe an. Hier hielt der Vorsteher sein Pferd an, nahm aus der Satteltasche ein Paket und sagte:
„Nimm dies und gibt es dem Mann meiner Tochter, wenn du nach Gumri kommen solltest. Ich habe ihr ein persisches Tuch und ihrem Mann für seine Mehin (Stute) einen Dizgin (Zügel, Zaum) versprochen, wie ihn die Kurden von Pir Mani führen. Wenn du ihnen diese Sachen bringst, so wissen sie, daß du mein Freund und Bruder bist, und werden dich so aufnehmen, als ob ich es selber wäre. Aber ich wünsche um deinetwillen dennoch, daß du wieder zu mir zurückkehren mögest.“
Er deutete auf einen Reiter, der uns gefolgt war und bei Halef und dem Baschi-Bozuk hielt.
„Das ist der Mann, der mir den Anzug dieses Fremdlings wieder bringen wird. Ihm könntest du auch das Paket geben, wenn du merkst, daß dich dein Weg nicht nach Gumri führt. Und nun scheiden wir! Aaleïk sallam, u rahhmet Allah – der Friede und die Barmherzigkeit sei mit dir!“
Wir umarmten und küßten uns, dann gab er auch den andern die Hand und kehrte um. Ich hatte in ihm einen Mann kennengelernt, an den ich noch heute mit Achtung und Wohlwollen zurückdenke.
DRITTES KAPITEL
In der Festung
Wir ritten weiter. Der Weg ging bergab in das Tal von Amadijah hinunter. Dieses Tal wird von einer Sandsteinablagerung gebildet und von sehr vielen Schluchten durchschnitten, in denen rauschende
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