13 - Wo kein Zeuge ist
Farrakhan in leidenschaftlicher Predigerpose, Elijah Mohammed flankiert von Mitgliedern der Islamischen Nation, ein junger Muhammad Ali, vielleicht der berühmteste der Konvertierten.
»Mr. Savidge ...« Und dann wusste Lynley auf einmal nicht, wie er fortfahren sollte. Ein Leichnam in einem Straßentunnel wurde gar zu menschlich, sobald man ihn mit einem Zuhause in Verbindung brachte. In diesem Moment verwandelte sich der Leichnam in eine Person, deren Tod ein Bedürfnis nach Gerechtigkeit hervorrufen musste oder doch wenigstens die Verpflichtung, schlichtes Bedauern auszudrücken. »Es tut mir Leid«, sagte er. »Wir haben einen Toten, den Sie sich anschauen müssen. Er wurde heute früh südlich des Flusses gefunden.«
»O mein Gott«, sagte Savidge. »Ist es ...«
»Ich hoffe nicht«, antwortete Lynley, obwohl er es besser wusste. Er nahm Savidges Arm, um ihn zu stützen. Es gab noch Fragen, die er ihm früher oder später würde stellen müssen, aber im Augenblick gab es nichts weiter zu sagen.
Ulrike schaffte es, in ihrem Büro zu warten, bis Jack Veness die Telefone auf Rufumleitung umstellte und die Rezeption aufräumte. Nachdem er sich verabschiedet hatte und sie die äußere Tür ins Schloss fallen hörte, machte sie sich auf die Suche nach Griff und stolperte über Robbie Kilfoyle. Er war im Eingangsflur, wo er den Inhalt zweier Müllsäcke voller Colossus-T-Shirts und -Sweatshirts in den Schrank unter der Vitrine räumte, in der die Verkaufsgegenstände ausgestellt waren. Sie erkannte, dass Griff wenigstens in dem Punkt die Wahrheit gesagt hatte und heute tatsächlich einige Stunden in seinem Textildruckbetrieb verbracht hatte.
Sie hatte das in Zweifel gezogen. Als sie sich im Charlie Chaplin Pub getroffen hatten, war das Erste gewesen, was sie sagte: »Wo warst du den ganzen Tag, Griffin?«, und sie war beim Klang ihrer Stimme zusammengezuckt, denn sie wusste, wie sie sich anhörte, und er wusste, dass sie es wusste, und darum hatte er erwidert: »Fang nicht so an«, ehe er ihre Frage beantwortete: Eines der Geräte in der Textildruckerei hatte repariert werden müssen, und er hatte sich darum gekümmert. »Ich hab dir doch gesagt, dass ich auf dem Weg hierher im Betrieb vorbeischauen musste. Du wolltest, dass ich neue Shirts mitbringe, weißt du noch?«
Diese Antwort war die Quintessenz von Griffin: Ich habe nur getan, was du wolltest, implizierte sie.
Ulrike fragte Robbie Kilfoyle: »Hast du Griff gesehen? Ich muss ihn sprechen.«
Robbie, der am Boden hockte, setzte sich auf die Fersen und schob die Baseballkappe in den Nacken. »Er hilft, die neue Einstufungsgruppe beim Rudern zu beaufsichtigen. Sie sind mit den Vans losgefahren. Vielleicht vor zwei Stunden?«
Robbies Gesichtsausdruck verriet ihr, dass er fand, sie als Leiterin solle das eigentlich wissen. Er wies auf die Müllsäcke und sagte: »Das Zeug hier hat er im Geräteraum liegen lassen. Ich hab mir gedacht, es ist sicher am besten, wenn ich es hier verstaue. Kann ich dir bei irgendwas helfen?«
»Mir helfen?«
»Na ja, da du Griff gesucht hast und er nicht hier ist, könnte ich vielleicht ...« Er zuckte die Schultern.
»Ich sagte, ich muss ihn sprechen, Robbie.« Ulrike merkte sofort, wie barsch sie klang. »Tut mir Leid. Das war unhöflich von mir. Ich bin ein bisschen durch den Wind. Die Polizei. Erst Kimmo. Jetzt ...«
»Sean«, ergänzte Robbie. »Ja, ich weiß. Aber er ist doch nicht tot, oder? Sean Lavery?«
Ulrike sah ihn scharf an. »Ich habe seinen Namen nicht erwähnt. Woher weißt du von Sean?«
Robbie schien verdutzt. »Diese Polizistin hat gefragt, ob ich ihn kenne, Ulrike. Sie kam in den Geräteraum und hat gesagt, Sean sei in einem der Computerkurse, also hab ich, sobald ich Zeit fand, Neil gefragt, was los ist. Er hat erzählt, dass Sean Lavery heute nicht gekommen ist. Das war alles.« Dann fügte er noch hinzu: »War das okay, Ulrike?«, aber es klang nicht unterwürfig.
Sie konnte ihm keinen Vorwurf machen. »Ich bin ... Hör mal, ich wollte nicht so ... Ich weiß auch nicht ... so argwöhnisch klingen. Ich steh unter totaler Anspannung. Erst Kimmo, dann Sean. Die Polizei. Weißt du, wann Griff und die Gruppe zurückkommen?«
Robbie ließ sich einen Moment Zeit, anscheinend, um ihre Entschuldigung zu werten, ehe er antwortete. Das ging ein bisschen zu weit, fand sie. Er war schließlich nur ein Ehrenamtler. Er sagte: »Keine Ahnung. Wahrscheinlich trinken sie anschließend noch irgendwo einen Kaffee. So
Weitere Kostenlose Bücher