13 - Wo kein Zeuge ist
rufen und all das. Auch ich kenne deine Adresse, Griffin, wie du weißt.«
»Ich will nicht streiten. Hast du mich herbestellt, um mit mir zu streiten?«
»Wie kommst du darauf? Wo warst du den ganzen Tag?«
Er wandte den Kopf zur Decke - einer dieser Märtyrerblicke, wie man sie auf Gemälden sterbender, frühchristlicher Heiliger sah. Er sagte: »Ulrike, du kennst meine Situation. Du hast es von Anfang an gewusst. Du kannst doch nicht ... Was erwartest du denn von mir? Oder was hast du damals von mir erwartet? Dass ich Arabella verlassen sollte, als sie im fünften Monat war? Als sie in den Wehen lag? Oder jetzt, da sie mit einem Baby klarkommen muss? Ich habe dir gegenüber nie den Eindruck erweckt, dass ...«
»Du hast Recht.« Sie brachte ein brüchiges Lächeln zustande. Sie konnte fühlen, wie zerbrechlich es war, und sie verabscheute sich dafür, dass sie immer noch nicht immun gegen ihn war. Sie prostete ihm spöttisch mit ihrem Weinglas zu. »Das hast du nie. Gratuliere! Immer alles offen ausgesprochen, kein falsches Spiel. Du streust niemandem Sand in die Augen. Das ist eine sehr gute Methode, sich vor Verantwortung zu drücken.«
Er stellte sein Weinglas zurück auf den Tisch. »Na schön. Ich gebe mich geschlagen. Weiße Flagge. Was immer du willst. Warum bin ich hier?«
»Was wollte sie?«
»Hör mal, ich war heute spät dran, weil ich im Betrieb vorbeischauen musste. Das hab ich dir doch gesagt. Nicht dass es dich etwas angeht, was Arabella und ich ...«
Ulrike lachte, obwohl es ein wenig gezwungen klang - eine schlechte Schauspielerin auf einer grell beleuchteten Bühne. »Ich kann mir ganz gut vorstellen, was Arabella wollte und was du ihr gegeben hast ... die kompletten neunzehn Komma fünf Zentimeter. Aber ich spreche gar nicht von dir und deinem Eheweib. Ich meinte die Polizistin. Constable Sowieso mit den angestoßenen Zähnen und der schrecklichen Frisur.«
»Versuchst du, mich in die Enge zu treiben?«
»Wovon redest du?«, fragte Ulrike.
»Ich rede von deiner Strategie. Ich protestiere, ich verlange, dass du auf der Stelle aufhörst, dich so zu benehmen, ich sage: genug!, und ich sage: verpiss dich!, und dann hast du, was du wolltest.«
»Und das ist was?«
»Meinen Kopf auf einem Silbertablett, Tanz und sieben Schleier völlig überflüssig.«
»Ist es das, was du glaubst? Denkst du wirklich, das ist der Grund, warum ich dich hergebeten habe?« Sie kippte ihren Wein hinunter und spürte die Wirkung fast augenblicklich.
»Willst du vielleicht behaupten, dass du mich nicht bei der ersten sich bietenden Gelegenheit rausschmeißen würdest?«
»Ohne mit der Wimper zu zucken«, gab sie zurück. »Aber das ist nicht der Grund, warum wir reden.« ...
»Sondern warum dann?«
»Worüber hat sie mit dir gesprochen?«
»Über genau das, was du annimmst.«
»Und?«
»Und?«
»Und was hast du ihr gesagt?«
»Was glaubst du denn wohl? Kimmo war Kimmo. Sean war Sean. Der eine war ein freigeistiger Transvestit mit der Persönlichkeit einer Varieteediva, ein Junge, dem niemand, der bei Verstand ist, auch nur ein Haar krümmen würde. Sean hingegen war jemand, der den Eindruck vermittelte, als hätte er Eisenspäne zum Frühstück gegessen. Ich hab dir sofort Bescheid gegeben, als Kimmo nicht mehr zum Einstufungskurs kam. Sean stand nicht mehr unter meiner Aufsicht. Er nahm schon an weiterführenden Kursen teil, also konnte ich es gar nicht mitbekommen, wenn er wegblieb.«
»Das ist alles, was du ihr gesagt hast?« Sie musterte ihn, während sie die Frage stellte, und überlegte, was für eine Art von Vertrauen überhaupt zwischen zwei Menschen bestehen konnte, die einen Dritten betrogen.
Seine Augen hatten sich verengt. Er sagte nur: »Wir waren uns doch einig.« Und da sie ihn offenkundig abschätzte, fügte er hinzu: »Oder traust du mir nicht?«
Natürlich nicht. Wie konnte sie jemandem trauen, für den Betrug Alltag war. Doch es gab einen Weg, ihn zu testen, und nicht nur das, sondern auch einen Weg, ihn festzunageln, sodass er den Anschein der Kooperation mit ihr aufrechterhalten musste, falls seine Kooperation vorgetäuscht war.
Sie ging zu ihrer Leinentasche und holte den Aktendeckel heraus, den sie in ihrem Büro eingesteckt hatte, und reichte ihn ihm.
Sie beobachtete, wie er den Blick darauf richtete und die Beschriftung las. Er schaute auf. »Ich habe getan, was du wolltest. Was soll ich jetzt hiermit tun?«
»Was du tun musst«, antwortete sie. »Ich glaube, du weißt,
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