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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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jemanden bei den Eiern vor Gericht zu zerren, wird nichts an diesem Gefühl ändern.«
    Sie inhalierte tief. Es ist ein gefährliches Spiel, wollte sie sagen. Es gab Bindungen im Leben, aber keine Garantien. Doch das wusste er ja schon. Jeder Polizist wusste das. So wie jeder Polizist wusste, dass man einer Ehefrau, einem Mann oder einer Familie keine Sicherheit gewährleisten konnte, nur weil man jeden Tag auf der Seite der Guten arbeitete. Kinder entwickelten sich trotzdem in die falsche Richtung. Frauen wurden untreu. Männer bekamen Herzinfarkte. Alles, was einem lieb war, konnte in Sekundenschnelle ausgelöscht werden. So war das Leben.
    »Lassen Sie uns einfach zusehen, dass wir den heutigen Tag rumkriegen«, schlug sie vor. »Das ist es, was ich sage: Wir können uns nicht um morgen kümmern, ehe wir dort ankommen.«
    Barry Minshall wirkte nicht so, als habe er eine angenehme Nacht verbracht, und genau das war Lynleys Absicht gewesen, als er beschlossen hatte, den Zauberer erst an diesem Morgen zu vernehmen. Er sah zerzaust und kreuzlahm aus. Er kam in Begleitung des Pflichtverteidigers in den Verhörraum - James Barty sei sein Name, sagte der, während er Minshall zum Tisch führte und auf einen Stuhl half -, und als der Zauberer saß, blinzelte er in die hellen Lampen und fragte, ob er seine Sonnenbrille zurückhaben könne.
    »Sie werden nichts Brauchbares davon kriegen, mir in die Augen zu sehen, falls Sie das gehofft haben«, informierte er Lynley, und um diese Behauptung zu unterstreichen, hob er den Kopf: Seine Augen waren unwesentlich dunkler als Rauch, der beim Verbrennen von trockenem Holz entsteht, und zuckten ständig hektisch hin und her. Er zeigte ihnen diesen Anblick nur einen Moment, ehe er den Kopf wieder senkte. »Nystagmus und Photophobie«, erklärte er. »So nennt man das. Oder muss ich ein ärztliches Attest vorlegen, um es Ihnen zu beweisen? Ich brauch diese Sonnenbrille, okay? Ich kann das Licht nicht ertragen, und ohne die Brille kann ich nichts sehen.«
    Lynley nickte Havers zu. Sie ging hinaus und holte Minshalls Brille. Lynley nutzte die Zeit, um den Kassettenrekorder vorzubereiten und ihren Verdächtigen in Augenschein zu nehmen. Er hatte Albinismus nie zuvor leibhaftig gesehen. Es war nicht so, wie er in seiner Unwissenheit geglaubt hatte. Keine rosa Augen. Kein schlohweißes Haar. Vielmehr diese gräulichen Augen und eine Dichte der Haare, als haben sich im Laufe der Zeit Schichten dort abgelagert, die ihnen einen gelblichen Ton verliehen. Minshall trug das Haar lang, aber aus dem Gesicht gekämmt und im Nacken mit einer Schnur zusammengehalten. Seine Haut war vollkommen unpigmentiert. Nicht einmal eine Sommersprosse befleckte ihre Oberfläche.
    Als Havers mit Minshalls Sonnenbrille zurückkam, setzte er sie umgehend auf. Das ermöglichte ihm, den Kopf zu heben, wenngleich er ihn während des gesamten Verhörs zur Seite geneigt hielt, vielleicht, um das Augenzucken besser kontrollieren zu können.
    Lynley begann mit den Präliminarien für das Audioprotokoll. Dann zitierte er die offizielle Rechtsbelehrung, um sich Minshalls ungeteilter Aufmerksamkeit zu versichern und für den Fall, dass der Zauberer sich des Ernstes seiner Lage nicht bewusst gewesen war, was er für unwahrscheinlich hielt. Dann sagte er: »Erzählen Sie uns von Ihrer Beziehung zu Davey Benton«, während Havers an seiner Seite ihr Notizbuch hervorzog, um auf Nummer sicher zu gehen.
    »In Anbetracht der Umstände glaube ich nicht, dass ich Ihnen überhaupt irgendetwas erzählen werde.« Barry Minshall sprach ruhig, die Worte klangen auswendig gelernt.
    Sein Anwalt lehnte sich zurück, offenbar einverstanden mit dieser Antwort. Er hatte die ganze Nacht Zeit gehabt, seinem Mandanten dessen Rechte zu erklären, falls Minshall danach gefragt hatte.
    »Wie Sie wissen, Mr. Minshall, ist Davey tot«, sagte Lynley. »Ich kann Ihnen nur raten, sich etwas kooperativer zu zeigen. Werden Sie uns sagen, wo Sie vorgestern Abend waren?«
    Es entstand eine Pause, während Minshall alle Folgen abwägte, die sein Schweigen oder seine Antwort auf diese Frage nach sich ziehen mochten. Schließlich entgegnete er: »Um welche Uhrzeit, Superintendent?« und hielt seinen Anwalt mit einer Geste zurück, als Barty Anstalten machte, ihm von einer Aussage abzuraten.
    »Zu jeder Uhrzeit«, antwortete Lynley.
    »Genauer können Sie es nicht eingrenzen?«
    »Sind Sie abends so ausgebucht?«
    Minshalls Lippen verzogen sich. Lynley stellte

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