13 - Wo kein Zeuge ist
St. George's Gardens teilweise sehen können.«
»Wo finden wir den Mann?«
»Hayes. In Middlesex.«
»Geben Sie mir die Adresse. Wir treffen uns dort.«
Nkata las die Anschrift vor. Lynley bedeutete Havers mit einer Geste, ihm Notizbuch und Kugelschreiber zu borgen, und notierte die Angaben. Dann beendete er das Telefonat und überlegte, was diese neue Entwicklung besagte. Tentakeln, schloss er. Sie tasteten sich in alle Richtungen vor.
»Fahren Sie ins Büro, kümmern sich um Minshall und den Rest«, sagte er zu Havers.
»Stehen wir vor einem Durchbruch?«
»Manchmal kommt es mir so vor«, räumte er ein. »Und dann scheint es mir wieder, als hätten wir kaum begonnen.«
20
Lynley nahm die A40, um die Adresse in Middlesex zu erreichen, die Nkata ihm gegeben hatte. Sie war nicht leicht zu finden, und er machte Umwege, musste mehrfach wenden und eine Brücke über den Grand Union Canal finden. Schließlich stand er vor einem Haus, das Teil einer kleinen Siedlung war, umrahmt von zwei Sportplätzen, zwei Spielfeldern, drei Seen und einem Bootshafen. Obwohl es zu Greater London gehörte, hatte man den Eindruck, auf dem Land zu sein, und selbst die Flugzeuge, die von Heathrow starteten, konnten das Gefühl nicht trüben, dass man hier bessere Luft atmete und sich freier und sicherer bewegen konnte.
Muwaffaq Masoud wohnte am Telford Way, einer kleinen Straße mit Reihenhäusern aus ockerfarbenen Ziegeln. Sein Haus war ein Eckhaus, und er war daheim und öffnete die Tür, als Lynley und Nkata klingelten.
Durch dick umrahmte Brillengläser blinzelte er ihnen entgegen, ein Stück Toast in der Hand. Er hatte sich noch nicht angekleidet und trug einen Bademantel, wie Boxer sie vor ihren Kämpfen anhatten, komplett mit Kapuze und dem Beinamen »Killer« auf Brust und Rücken gestickt.
Lynley zeigte ihm seinen Dienstausweis. »Mr. Masoud?«, fragte er, und als der Mann nervös nickte: »Können wir Sie einen Moment sprechen?« Er stellte erst Nkata, dann sich selbst vor. Masoud sah gehetzt von einem zum anderen, ehe er von der Tür zurücktrat.
Diese führte unmittelbar ins Wohnzimmer, das nicht wesentlich größer als ein Kühlschrank zu sein schien und dessen entlegenes Ende von einer Holztreppe dominiert wurde. Weiter vorn stand ein stoffbezogenes Sofa an der Wand gegenüber einer Kaminimitation. In der Ecke befand sich die einzige Dekoration des Zimmers, ein Metallregal mit Fotos von einer Vielzahl junger Erwachsener und ihren Kindern. Auf dem obersten Fachboden war eine weitere Fotografie, die Teil eines Gedenkaltars zu sein schien: Seidenblumen waren säuberlich um ein chromgerahmtes Bild von Prinzessin Diana drapiert.
Lynley betrachtete das Regal einen Moment, ehe er wieder zu Muwaffaq Masoud schaute. Der Mann trug einen Bart und war zwischen fünfzig und sechzig Jahre alt. Der Gürtel des Bademantels ließ einen Bauchansatz erahnen.
»Ihre Kinder?«, fragte Lynley und wies zu den Fotos hinüber.
»Ich habe fünf Kinder und achtzehn Enkel«, antwortete Masoud. »Dort sieht man sie alle. Bis auf das neue Baby, das dritte Kind meiner ältesten Tochter. Ich wohne allein hier. Meine Frau ist vor vier Jahren gestorben. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Sie mochten die Prinzessin?«
»Die ethnische Herkunft eines Menschen schien für sie keine Rolle zu spielen«, erwiderte er höflich. Sein Blick fiel auf die Toastscheibe, die er immer noch in der Hand hielt. Es sah aus, als habe er keinen Appetit mehr. Er entschuldigte sich und verschwand durch eine Tür unter der Treppe. Diese führte in eine Küche, die noch kleiner als das Wohnzimmer wirkte. Durch ein Fenster sah man nackte Äste, die einen Garten hinter dem Haus vermuten ließen.
Er kam zu ihnen zurück und knotete im Gehen den Gürtel seines Boxerbademantels zu. Förmlich und mit beträchtlicher Würde sagte er: »Ich hoffe, Sie kommen nicht schon wieder wegen dieses Einbruchs in Clapham. Ich habe den Beamten schon alles gesagt, was ich wusste - und das war nicht viel. Als ich nichts mehr gehört habe, nahm ich an, die Angelegenheit sei erledigt. Doch jetzt muss ich mich fragen: Hat niemand von Ihnen die guten Schwestern angerufen?«
»Dürfen wir uns setzen, Mr. Masoud?«, fragte Lynley. »Wir haben ein paar Fragen, die wir Ihnen gern stellen würden.«
Der Mann zögerte, als überlege er, warum Lynley nicht zuerst einmal seine Frage beantwortete. Schließlich sagte er: »Natürlich, bitte«, und wies auf das Sofa. Es gab keine weitere
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