13 - Wo kein Zeuge ist
lief Gefahr, über ihr partnerloses Leben nachzudenken. Sie hörte Azhars Bemerkung darüber, ob sie je in der glücklichen Lage sein werde, Kinder zu haben, und dieser Erinnerung wollte sie sich nicht einmal auf fünfzig Meter nähern. Also nahm sie einen großen Bissen von ihrem Pop-Tart und sah sich nach etwas um, das sie davon ablenken konnte, über ihren Nachbarn, seine Kommentare zu ihrem Familienstand und ihrer Kinderlosigkeit nachzudenken, und über die Erinnerung an die Wohnungstür, die sich nicht öffnete, als sie angeklopft hatte. Sie fand diese Ablenkung bei dem Mann aus Lubbock, legte die CD ein und drehte die Lautstärke auf.
Buddy Holly dröhnte immer noch aus den Boxen, als sie ihr zweites Pop-Tart verspeist hatte und bei der dritten Tasse Kaffee angelangt war. Er zelebrierte sein kurzes Leben mit solcher Leidenschaft - und Lautstärke -, dass sie das Klingeln des Telefons auf dem Weg ins Bad und unter die Dusche fast überhört hätte.
Sie drehte Buddy den Saft ab, nahm ab und hörte eine vertraute Stimme ihren Namen sagen.
»Barbara, Liebes, sind Sie das?«
Es war Mrs. Flo, für die Allgemeinheit Florence Magentry, in deren Heim in Greenford Barbaras Mutter seit fünfzehn Monaten zusammen mit mehreren anderen älteren Damen lebte, die in ähnlicher Weise auf Pflege angewiesen waren.
»Ich und niemand sonst«, antwortete Barbara. »Hallo, Mrs. Flo. Sie sind aber früh auf. Alles okay mit Mum?«
»Oh, aber sicher«, sagte Mrs. Flo. »Wir sind alle auf der Höhe hier. Mum hat sich heute Morgen Porridge gewünscht und ordentlich gelöffelt. Sie hat einen guten Appetit. Seit gestern Mittag spricht sie von Ihnen.«
Es war nicht Mrs. Flos Art, den Angehörigen ihrer Damen ein schlechtes Gewissen zu machen, aber Barbara verspürte es dennoch. Sie hatte ihre Mutter seit Wochen nicht besucht - ein Blick auf den Kalender sagte ihr, dass es tatsächlich fünf Wochen waren -, und es brauchte nicht viel, dass sie sich wie eine selbstsüchtige Kuh fühlte, die ihr Kalb im Stich gelassen hatte. Darum war es ihr ein Bedürfnis, sich vor Mrs. Flo zu rechtfertigen, und sie sagte: »Ich arbeite an der Ermittlung dieser Mordfälle ... diese Jugendlichen. Sie haben vielleicht darüber gelesen. Es ist ein schwieriger Fall, und die Zeit sitzt uns ständig im Nacken. Hat Mum ...«
»Barbie, Liebes, Sie sollen sich nicht immer solche Gedanken machen«, unterbrach Mrs. Flo. »Ich wollte Sie nur wissen lassen, dass Mum ein paar gute Tage hatte. Sie war im Hier und Jetzt, und das ist sie immer noch. Darum dachte ich, weil sie gerade bei uns und nicht im ›Blitzkrieg‹ ist, wäre es eine gute Gelegenheit, mit ihr zum Frauenarzt zu fahren. Jetzt könnten wir es vielleicht hinter uns bringen, ohne sie unter Beruhigungsmittel setzen zu müssen, was ich immer für den besseren Weg halte, was meinen Sie?«
»Auf jeden Fall«, antwortete Barbara. »Wenn Sie den Termin machen, fahr ich sie hin.«
»Natürlich haben wir keine Garantie, dass sie immer noch sie selbst ist, wenn Sie hinfahren, Liebes. Wie gesagt, wir hatten ein paar gute Tage in letzter Zeit, aber Sie wissen ja, wie es ist.«
»Wohl wahr«, sagte Barbara. »Aber machen Sie trotzdem einen Termin aus. Ich komm schon damit klar, wenn wir ihr Beruhigungsmittel geben müssen.« Sie konnte sich dagegen wappnen, redete sie sich ein: Ihre Mutter zusammengesunken auf dem Beifahrersitz des Mini, der Mund schlaff, die Augen leer. Der Anblick würde nahezu unerträglich sein, aber allemal besser, als ihrem in Auflösung befindlichen Verstand klar machen zu wollen, was mit ihr geschah, wenn sie aufgefordert wurde, in der Praxis des Gynäkologen auf dem grässlichen Untersuchungsstuhl Platz zu nehmen.
Also sprachen Barbara und Mrs. Flo ein paar Daten ab, an denen Barbara nach Greenford hinauskommen und den Arzttermin wahrnehmen konnte. Dann legten sie auf, und Barbara blieb mit der traurigen Erkenntnis zurück, dass sie nicht so kinderlos war, wie es der Umwelt erscheinen mochte. Denn ihre Mutter nahm in ihrem Leben den Platz eines Kindes ein. Nicht gerade das, was Barbara sich erhofft hatte, aber so war es eben. Die kosmischen Kräfte, die das Universum lenkten, schenkten einem manchmal eine Variante dessen, was man sich für sein Leben wünschte.
Sie machte sich ein zweites Mal auf den Weg ins Bad, nur um wieder vom Telefon aufgehalten zu werden. Sie beschloss, das Gespräch dem Anrufbeantworter zu überlassen, ging weiter und drehte das Wasser in der Dusche auf. Doch
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