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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sie hörte, dass die Stimme des Anrufers männlich war, und das deutete darauf hin, dass es über Nacht eine neue Entwicklung in der Mordserie gegeben hatte, also hastete sie zurück, gerade rechtzeitig, um Taymullah Azhar sagen zu hören: »... die Nummer hier oben, falls Sie uns erreichen müssen.«
    Sie riss den Hörer hoch. »Azhar? Hallo? Sind Sie noch da?« Und wo ist ›da‹?, fragte sie sich.
    »Ah, Barbara«, antwortete er. »Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt? Hadiyyah und ich sind bei einer Konferenz in der Universität in Lancaster, und mir ist eingefallen, dass ich vor unserer Abreise niemanden gebeten habe, unsere Post hereinzuholen. Wären Sie wohl so freundlich ...?«
    »Müsste sie nicht in der Schule sein? Hat sie Ferien?«
    »Ja, sicher«, antwortete er. »Soll heißen, ja, sie müsste in der Schule sein. Aber ich konnte sie ja nicht allein in London lassen, also haben wir ihre Schulsachen mitgenommen. Sie lernt hier im Hotelzimmer, während ich bei der Konferenz bin. Ich weiß, dass es nicht die allerglücklichste Lösung ist, aber Hadiyyah ist in Sicherheit und schließt hinter mir immer die Tür ab.«
    »Azhar, sie sollte aber nicht ...« Barbara unterbrach sich. Das war der direkte Weg zu Streitigkeiten. Stattdessen sagte sie: »Sie hätten sie bei mir lassen können. Ich hätte mit Vergnügen auf sie aufgepasst. Das Angebot gilt jederzeit. Ich habe gestern Morgen bei Ihnen angeklopft, aber keiner hat aufgemacht.«
    »Ah, da waren wir schon hier in Lancaster«, antwortete er.
    »Aber ich hab doch Musik gehört ...«
    »Mein armseliger Versuch, Einbrecher abzuschrecken.«
    Barbara verspürte unerklärliche Erleichterung, als sie das hörte. »Wollen Sie, dass ich ein Auge auf Ihre Wohnung habe? Haben Sie irgendwo einen Schlüssel hinterlegt? Dann könnte ich die Post aus dem Briefkasten holen und reingehen und ...« Sie stellte fest, wie verdammt glücklich sie war, seine Stimme zu hören, und wie sehr sie ihm gefällig sein wollte. Das war ihr unheimlich, und sie verstummte. Schließlich war dies nach wie vor der Mann, der sie für eine bedauernswerte, allein stehende Frau hielt.
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen, Barbara«, antwortete er. »Aber es reicht vollkommen, wenn Sie nach unserer Post schauen würden.«
    »Kein Problem«, versicherte sie fröhlich. »Wie geht's meiner Freundin?«
    »Ich glaube, sie vermisst Sie. Leider schläft sie noch, sonst würde ich sie ans Telefon holen.«
    Barbara war froh, das zu hören. Sie wusste sehr wohl, dass er nicht verpflichtet gewesen wäre, ihr zu sagen, dass Hadiyyah sie vermisste. Sie erwiderte: »Azhar, was diese CD angeht und unseren Streit ... Sie wissen schon ... Was ich über ihre ... über Hadiyyahs Mutter gesagt hab ...« Sie wusste nicht so recht, worauf sie eigentlich hinauswollte, und es widerstrebte ihr, ihre Bemerkungen zu wiederholen und ihn somit daran zu erinnern, wofür sie sich hier eigentlich entschuldigte. »Was ich gesagt habe, war völlig daneben. Tut mir Leid.«
    Es folgte ein Schweigen. Sie sah ihn vor sich in irgendeinem Hotelzimmer oben im Norden, Eisblumen an den Fenstern und Hadiyyah als kleines Bündel im Bett. Das Zimmer hatte zwei Betten, mit einem Nachtschränkchen dazwischen, und er saß auf der Kante seines Betts. Eine Lampe war eingeschaltet, aber nicht auf dem Nachttisch, da er nicht wollte, dass das Licht seine Tochter weckte. Er trug ... was? Einen Bademantel? Schlafanzug? Oder hatte er sich schon angezogen? Waren seine Füße nackt, oder steckten sie in Socken und Schuhen? Hatte er sich die dunklen Haare gekämmt? War er rasiert? Und ... Und, verflucht noch mal, Herzchen, reiß dich, um Himmels willen, zusammen.
    Azhar sagte: »Ich habe nicht auf Ihre Worte geantwortet, Barbara, sondern auf das reagiert, was Sie gesagt haben. Das war nicht richtig von mir, dieses Reagieren anstelle von Antworten. Ich hatte das Gefühl ... Nein, ich dachte, sie versteht es nicht, diese Frau, und sie kann es auch unmöglich verstehen. Sie urteilt, ohne die Fakten zu kennen, und ich werde ihr den Kopf zurechtrücken. Das war falsch von mir, und darum entschuldige ich mich auch.«
    »Was verstehen?« Barbara hörte das Wasser in ihrer Dusche rauschen, und sie wusste, sie sollte es abstellen. Aber sie wollte ihn nicht bitten, zu warten, während sie das tat, denn sie befürchtete, dass er auflegen würde.
    »Was mich an Hadiyyahs Benehmen ...« Er unterbrach sich, und sie glaubte, das Anreißen eines Streichholzes zu hören.

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