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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Tagtraum. Die Kinder hatten die Straße überquert und liefen weiter, die Köpfe wippten auf und ab wie Korken im Wasser, die Schuhe schlurften. Drei Erwachsene - vorn, in der Mitte und hinten - hielten ein wachsames Auge auf sie.
    Das war alles, was erforderlich gewesen wäre, und er hatte versagt. Ein wachsames Auge. Stattdessen hatte er quasi eine Wegbeschreibung zu seiner Haustür geliefert. Fotos von ihm. Fotos von Helen. Belgravia. Wie schwierig war es da wohl noch gewesen? Oder auch ein paar Fragen in der Nachbarschaft zu stellen?
    Und nun erntete er die Früchte seines Hochmuts. Es gibt Dinge, die wir nicht wissen, hatte der Arzt gesagt.
    Aber können Sie mir nicht sagen ...?
    Für manche Symptome gibt es Tests, für andere nicht. Alles, was wir riskieren können, ist eine Prognose, die auf fundierten Informationen basiert und dem, was wir über das menschliche Gehirn wissen. Von diesem Wissen ausgehend, können wir extrapolieren. Wir können Ihnen nur die Fakten darlegen, soweit wir sie kennen, und Ihnen sagen, welche Schlüsse wir daraus ziehen. Aber das ist alles. Es tut mir Leid. Ich wünschte, ich hätte Ihnen mehr zu bieten ...
    Er konnte nicht darüber nachdenken, damit umgehen, damit leben. Irgendetwas. Einen grauenhaften Tag nach dem anderen. Wie eine Schwertklinge, die sein Herz durchbohrte, aber weder tödlich noch schnell oder gnädig.
    Die Spitze zuerst, und dann ein Stück mehr, während aus Tagen Wochen wurden und schließlich die erforderlichen Monate, während er auf das wartete, von dem er jetzt bereits wusste, dass es das Allerschlimmste war.
    Ein Mensch kann sich an alles gewöhnen, ja? Ein Mensch kann lernen zu überleben, denn solange der Wille, etwas auszuhalten, da war, stellte der Verstand sich darauf ein und befahl dem Körper, das Gleiche zu tun.
    Aber nicht hierauf, dachte er. Niemals hierauf.
    Vor dem Krankenhaus stellte er fest, dass die Journalisten endlich verschwunden waren. Dies hier war keine Story, bei der sie rund um die Uhr am Ball bleiben mussten. Das Ereignis an sich und seine Verbindung zu der Ermittlung in einer Mordserie hatte sie mobilisiert, aber von nun an würden sie nur noch sporadisch nach dem Stand der Dinge fragen. Von nun an würden sie ihr Augenmerk auf den Täter und die Polizei richten, das Opfer nur noch nebenbei erwähnen und, falls der Chefredakteur es wünschte, würden sie Archivfotos der Klinik verwenden - die Aufnahme eines Fensters irgendwo, hinter dem die Patientin angeblich um ihr Leben rang. Bald würde selbst das als Wiederholung einer mehrfach erzählten Geschichte abgetan werden. Wir brauchen etwas Neues, und wenn Sie keine aktuellen Entwicklungen in der Sache haben, schieben Sie's nach hinten. Seite fünf oder sechs sollte wohl reichen. Die lohnenden Aspekte der Story hatten sie ja schon abgegrast: den Tatort, Pressekonferenz der Ärzte, ihn selbst - ein nettes Foto, das eine angemessene Reaktion zeigte -, während er am Morgen das Krankenhaus verlassen hatte. Man würde ihnen auch den Namen des Pressesprechers der Belgravia-Polizei geben, und das war dann alles. Die Story schrieb sich praktisch von selbst. Weiter zu anderen Ereignissen. Sie mussten an ihre Auflagenzahlen denken, und es gab andere Topmeldungen, um diese Zahlen zu stützen. Es war ein Geschäft, lediglich ein Geschäft.
    Er parkte den Wagen, stieg aus, ging auf das Klinikportal und das, was ihn dahinter erwartete, zu: die unveränderte Situation, die Familie, seine Freunde und Helen.
    Entscheide dich, Tommy, Liebling. Ich vertraue dir vollkommen. Na ja ... in jeder Hinsicht, abgesehen von der Krawattenauswahl. Und das war mir immer ein Rätsel, da du ansonsten doch ein Mann von unfehlbarem Geschmack bist.
    »Tommy.«
    Er riss sich aus seinen Gedanken. Seine Schwester Judith kam auf ihn zu. Sie wurde ihrer Mutter von Tag zu Tag ähnlicher: groß und sportlich, das blonde Haar kurz geschnitten.
    Er sah, dass sie eine zusammengefaltete Boulevardzeitung in der Hand hielt, und später kam es ihm so vor, als sei das der Auslöser gewesen. Denn es war nicht die aktuelle Ausgabe, sondern jene, in der der Artikel über ihn, sein Privatleben, seine Frau und sein Heim erschienen war. Und plötzlich erfasste ihn eine solche Scham, dass er das Gefühl hatte, darin zu ertrinken, und die einzige Möglichkeit, zurück an die Oberfläche zu gelangen, war, dem Zorn nachzugeben.
    Er nahm ihr das Blatt aus der Hand. Judith sagte: »Helens Schwester hatte sie in der Tasche. Ich hatte es noch

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