13 - Wo kein Zeuge ist
Leiche gefunden wurde. Ist das der Mann, Barry? Ist dies zwei-eins-sechs-null? Ist dies der Kerl, dem Sie Davey im Canterbury Hotel übergeben haben?«
Minshall legte das Foto zurück auf den Tisch. »Ich bin nicht ...«
»Barry«, sagte sie. »Sehen Sie es sich noch mal in Ruhe an.«
Das tat er, noch einmal. Und Barbara ersetzte ihr Komm schon durch ein Gebet.
Schließlich sagte er: »Ich glaube, er ist es.«
Sie stieß die Luft aus. Ich glaube, er ist es, war nicht viel wert. Ich glaube, er ist es, konnte keine Verurteilung herbeiführen. Aber es war gut genug, um eine Gegenüberstellung zu organisieren, und das reichte ihr.
Seine Mutter war gegen Mitternacht angekommen. Sie hatte nur einen Blick auf ihn geworfen und die Arme ausgebreitet. Sie fragte nicht, wie es Helen ging, denn irgendjemand hatte sie auf dem Weg von Cornwall hierher erreicht und es ihr gesagt. Das sah er an ihrem Gesicht und an der Art, wie sein Bruder sich davor drückte, ihn zu begrüßen und stattdessen an seinem Daumennagel kaute. Alles, was Peter herausbrachte, war: »Wir haben Judith sofort angerufen. Sie kommt heute Mittag, Tommy.«
Es hätte Trost darin liegen müssen, dass seine und Helens Familie sich im Krankenhaus versammelten, damit er dies nicht allein durchstehen musste, aber Trost war unvorstellbar. Ebenso unvorstellbar war es, irgendwelchen schlichten biologischen Notwendigkeiten nachzugeben, wie schlafen oder essen. All das schien belanglos, war sein ganzes Sein doch auf einen einzigen Lichtpunkt in der Finsternis seiner Gedanken ausgerichtet.
Helen wirkte völlig unscheinbar im Vergleich zu all den Maschinen, die ihr Krankenbett umgaben. Man hatte ihm die Namen der Apparate genannt, aber er erinnerte sich nur an die einzelnen Funktionen. Für die Beatmung, die Überwachung des Herzschlags, Flüssigkeitszufuhr, zur Messung des Sauerstoffgehalts im Blut, zur Überwachung des Fötus. Abgesehen vom Summen dieser Instrumente, war es völlig still im Zimmer. Und die Geräusche draußen auf dem Korridor waren gedämpft, als wüssten das Krankenhaus und alle, die darin waren, es bereits.
Er weinte nicht. Er ging nicht rastlos auf und ab. Er unternahm keinen Versuch, die Faust durch die Wand zu schmettern. Das war vielleicht der Grund, warum seine Mutter darauf bestanden hatte, er müsse unbedingt für ein paar Stunden nach Hause, als der neue Tag anbrach und sie immer noch alle ziellos auf den Krankenhausfluren umherliefen. Ein Bad, eine Dusche, Essen - irgendetwas, hatte sie zu ihm gesagt. Wir bleiben hier, Tommy. Peter und ich und alle anderen. Du musst wenigstens den Versuch machen, auf dich zu achten. Bitte, fahr nach Hause. Es kann dich ja jemand begleiten, wenn du möchtest.
Es gab Freiwillige für diese Aufgabe: Helens Schwester Pen, sein Bruder, St. James. Sogar Helens Vater, obwohl unschwer zu erkennen war, dass es dem armen Mann das Herz zerriss und er niemandem eine Hilfe sein würde, solange seine jüngste Tochter dort war, wo sie war ... und in diesem Zustand. Also hatte Lynley zuerst abgelehnt und gesagt, er wolle im Krankenhaus bleiben. Er konnte sie nicht verlassen, das mussten sie doch einsehen.
Aber irgendwann im Laufe des Morgens willigte er schließlich ein, nach Hause zu fahren, zu duschen und frische Sachen anzuziehen. Wie lange konnte das dauern? Zwei Constables geleiteten ihn durch eine kleine Schar Reporter, deren Fragen er weder verstand noch richtig hören konnte. Ein Streifenwagen brachte ihn nach Belgravia. Dumpf sah er aus dem Fenster, wo die Straßen vorbeizogen.
Vor seinem Haus fragten sie ihn, ob sie bleiben sollten. Er schüttelte den Kopf. Er werde schon zurechtkommen, erklärte er. Er habe einen Hausangestellten, der bei ihm wohnte. Denton werde dafür sorgen, dass er etwas zu essen bekam.
Er verriet ihnen nicht, dass Denton einen lang ersehnten Urlaub angetreten hatte: Lichterglanz in der Großstadt, Broadway, Wolkenkratzer und jeden Abend ins Theater. Stattdessen dankte Lynley den Beamten für ihre Mühe und holte den Hausschlüssel aus der Tasche, während sie davonfuhren.
Die Polizei war hier gewesen. Er sah die Spuren, die die Kollegen hinterlassen hatten: ein Stückchen Flatterband am Geländer der Eingangsüberdachung, der Grafitstaub an der Tür, wo sie Fingerabdrücke genommen hatten. Kein Blut, hatte Deborah gesagt, aber er fand einen kleinen Tropfen auf einer der Marmorplatten, die den Eingang bedeckten. Nur ein Schritt hatte gefehlt, und sie wäre im Haus gewesen.
Er
Weitere Kostenlose Bücher