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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Narzissen. Er würde sie ihr mitbringen. Sie sind so fröhlich, sagte sie immer. Narzissen sind Blumen voller Lebensfreude, Liebling.
    Der Bentley stand dort, wo Deborah ihn so mühevoll geparkt hatte, und als Lynley die Tür öffnete, schlug ihm Helens Parfüm entgegen. Zitrusduft, und schon war sie bei ihm.
    Er glitt hinters Steuer und schloss die Tür. Er lehnte die Stirn gegen das Lenkrad und atmete flach, weil er fürchtete, tiefe Züge könnten den Duft schneller verbrauchen, und er musste ihn so lange wie möglich bewahren. Er konnte sich nicht dazu bringen, den Sitz von ihrer Position auf seine zu verstellen, die Spiegel neu auszurichten, irgendetwas zu tun, das ihre Gegenwart auslöschen würde. Und er fragte sich, wie, in aller Welt, er das durchstehen sollte, was er jetzt durchstehen musste, wenn er nicht einmal in der Lage war, das zu tun, obwohl der Bentley nicht einmal der Wagen war, den sie normalerweise gefahren hatte, Herrgott noch mal. Also was machte es schon?
    Er wusste es nicht. Er funktionierte lediglich mechanisch, und er konnte nur hoffen, dass das ausreichte, um ihn von einem Moment zum nächsten zu bringen.
    Das hieß, er musste den Wagen starten, also tat er es. Er hörte den Bentley surren, nachdem er den Knopf gedrückt hatte, und fuhr ihn mit der Präzision eines Mikrochirurgen aus der Garage.
    Langsam rollte er die Gasse entlang und bog in Eaton Terrace ein. Er vermied den Blick auf seine Haustür, weil er sich nicht vorstellen wollte - was er natürlich trotzdem tun würde, das wusste er -, was Deborah St. James gesehen hatte, als sie um die Ecke bog, nachdem sie den Wagen weggebracht hatte.
    Als er zum Krankenhaus fuhr, war er sich bewusst, dass er dieselbe Strecke fuhr, die der Krankenwagen genommen hatte, der Helen in die Notaufnahme gebracht hatte. Er fragte sich, was sie von dem, das um sie herum geschah, wahrgenommen hatte: Infusionen, die gelegt wurden, Sauerstoff, der in ihre Nase strömte, Deborah irgendwo in ihrer Nähe, aber nicht so nah wie diejenigen, die ihre Atmung kontrollierten und feststellten, dass diese linksseitig mühsam war, weil keine Luft in die bereits kollabierte Lunge dringen konnte. Natürlich hatte sie unter Schock gestanden. Vermutlich war sie sich ihres Zustands nicht bewusst. Eben war sie noch vor der Haustür gewesen und hatte den Schlüssel gesucht, und im nächsten Moment war sie angeschossen worden. Aus kurzer Entfernung, hatte man ihm gesagt. Weniger als drei Meter, vielleicht nicht einmal zwei. Sie hatte ihn gesehen, und er hatte den Schrecken in ihrem Gesicht erkannt, die Überraschung, so plötzlich verwundbar zu sein.
    Hatte er ihren Namen gerufen? Mrs. Lynley, haben Sie einen Augenblick Zeit? Countess? Lady Asherton, richtig? Und sie hatte sich mit diesem verlegenen, atemlosen Lachen umgewandt. »Ach, herrje. Diese alberne Story in der Zeitung. Das Ganze war Tommys Idee, aber vermutlich habe ich in höherem Maße kooperiert, als ich sollte.«
    Und dann die Waffe: Automatikpistole, Revolver, was spielte das für eine Rolle? Ein langsames Durchdrücken des Abzugs, jenes großen Gleichmachers der Menschheit.
    Er hatte Mühe zu denken, noch mehr Mühe zu atmen. Er schlug mit der Faust aufs Lenkrad, um sich zurück in die Gegenwart zu bringen, weg von den bereits gelebten Momenten der Vergangenheit. Er schlug zu, um sich abzulenken, sich Schmerz zuzufügen, um irgendetwas zu tun, das verhinderte, dass er an all den Erinnerungen und Fantasien zerbrach.
    Nur das Krankenhaus konnte ihn retten, und er beeilte sich auf dem Weg zu diesem Refugium. Er umrundete Busse und überholte Zweiräder. Er bremste für eine Schar kleiner Schulkinder, die am Bordstein wartete, um die Straße zu überqueren. Er stellte sich ihr eigenes Kind mitten unter ihnen vor, seines und Helens. Wollstrümpfe, aufgeschlagene Knie und winzige Halbschuhe, eine Mütze auf dem Kopf, ein Namensschild um den Hals. Die Lehrerin hatte es beschrieben, aber er hatte es nach seinem Geschmack bemalt. Er hatte sich für Dinosaurier entschieden, weil sie - er und Helen - an einem Sonntagnachmittag mit ihm ins Natural History Museum gegangen waren. Dort hatte er unter dem T-Rex-Skelett gestanden, den Mund vor Staunen geöffnet. »Mummy!«, rief er. »Was ist das? Es ist unerhört riesig, oder, Dad?« Er gebrauchte solche Wörter. Unerhört. Er konnte Sternbilder benennen und die Namen der einzelnen Muskeln eines Pferds aufzählen.
    Eine Hupe dröhnte von irgendwoher. Er riss sich aus seinem

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