Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Gefahr, dass ich Ihren Tatort kontaminiere. Ich ziehe an, was immer nötig ist: Handschuhe, Overall, Mütze, was auch immer. Ich bin nun mal hier, also machen Sie Gebrauch von mir. Ich kann Ihnen helfen, wenn Sie mich lassen.«
    »Sir?«, fragte Havers.
    Lynley sah, dass vom entgegengesetzten Ende des Tunnels eine Bahre mit einem Leichensack herangerollt wurde. Die Leute der Spurensicherung standen mit Papiertüten bereit, um die Hände des Opfers hineinzustecken. Alles, worauf sie warteten, war ein Nicken von Lynley, und ein Teil des Problems, das Robson darstellte, würde sich von selbst erledigen: Es wäre nichts mehr da, was der Profiler anschauen könnte.
    »Können wir?«, fragte Havers.
    »Jetzt, wo ich schon mal hier bin«, sagte Robson leise. »Vergessen Sie doch einfach, wie und warum. Vergessen Sie Hillier. Um Himmels willen, lassen Sie mich helfen.«
    Die Stimme des Mannes war ebenso freundlich wie drängend, und Lynley wusste, Robson hatte nicht Unrecht. Lynley konnte strikt der Abmachung folgen, die er mit Hillier ausgehandelt hatte, oder er konnte die Chance ergreifen, die der Augenblick bot, ihm keine weitere Bedeutung zumessen und die Gelegenheit nutzen, um einen besseren Einblick in die Psyche des Mörders zu erlangen.
    Unvermittelt sagte er zu den Kollegen, die mit dem Leichensack warteten: »Einen Moment.« Und dann zu Robson: »Also bitte. Schauen Sie sich um.«
    Robson nickte, murmelte vor sich hin: »Guter Mann«, und dann trat er zu dem Schrottauto. Er hielt etwa einen Meter Abstand, und als er die Hände des Opfers untersuchen wollte, berührte er sie nicht selbst, sondern bat DI Hogarth, es zu tun. Hogarth schüttelte ungläubig den Kopf, folgte aber der Bitte. Scotland Yard hier zu haben war schlimm genug; ein Zivilist am Tatort war unerhört. Er hob die Hände des Opfers an, mit einem Gesichtsausdruck, der besagte, dass die Welt verrückt geworden war.
    Nach mehreren Minuten der Betrachtung kehrte Robson zu Lynley zurück. Als Erstes sprach er aus, was auch Lynley und Havers gesagt hatten: »So jung. Mein Gott. Das kann für keinen von Ihnen einfach sein. Ganz gleich, was Sie in Ihrer Laufbahn schon alles zu sehen bekommen haben.«
    »Das stimmt«, sagte Lynley.
    Havers schloss sich ihnen an. An dem Wagen begannen die Vorbereitungen, den Leichnam auf die Bahre zu heben, um ihn zur Obduktion abzutransportieren.
    »Es gibt eine Veränderung«, sagte Robson. »Die Dinge eskalieren. Sie können sehen, dass er die Leiche vollkommen anders behandelt hat: Weder hat er die Genitalien bedeckt noch ihn respektvoll aufgebahrt. Er lässt keinerlei Reue mehr erkennen, keinen Wiedergutmachungsimpuls. Stattdessen lässt er einen starken Drang erkennen, den Jungen zu erniedrigen: Die Beine gespreizt, die Genitalien zur Schau gestellt, und er liegt inmitten des Abfalls, den irgendwelche Stadtstreicher hinterlassen haben. Die Interaktion des Mörders mit dem Jungen vor dem Tod war anders als seine Interaktion mit den anderen. Bei ihnen ist irgendetwas vorgefallen, das ihn zur Reue bewogen hat. Bei diesem Jungen ist das nicht eingetreten. Vielleicht ist das Gegenteil passiert. Keine Reue also, sondern Vergnügen. Und Stolz auf seine Leistung. Er fühlt sich jetzt sehr sicher. Er ist überzeugt, dass er nicht gefasst wird.«
    »Wie kann er das glauben?«, fragte Havers. »Er hat den Jungen auf einer öffentlichen Straße abgeladen, Herrgott noch mal.«
    »Das ist genau der Punkt.« Robson wies zum entlegenen Ende des Tunnels, wo die Shand Street mit ihren Geschäften lag - ein kleines Stück Südlondon, das saniert worden war: moderne Backsteinbauten mit dekorativen Sicherheitstoren davor. »Er hat den Leichnam an einer Stelle abgelegt, wo er ohne weiteres hätte beobachtet werden können.«
    »Könnte man nicht das Gleiche von den anderen Orten behaupten?«, fragte Lynley.
    »Könnte man, aber bedenken Sie Folgendes: An den anderen Orten war das Risiko für ihn weit geringer. Er hätte etwas benutzen können, das kein Zeuge anzweifeln würde, während er die Opfer von seinem Fahrzeug zum Ort der Aufbahrung transportierte - eine Schubkarre, zum Beispiel, einen großen Seesack, ein Straßenkehrerwägelchen. Irgendetwas, das in der Umgebung nicht unpassend wirkte. Alles, was er tun musste, war, das Opfer vom Fahrzeug zum Aufbahrungsort zu schaffen, und im Schutz der Dunkelheit und mit diesen unauffälligen Transportmitteln konnte er das ohne großes Risiko bewerkstelligen. Doch hier war er im offenen Gelände,

Weitere Kostenlose Bücher