13 - Wo kein Zeuge ist
sobald er das Opfer in dieses Schrottauto bugsiert hatte. Und er hat es dort nicht einfach abgeladen, Superintendent, das sieht nur so aus. Aber lassen Sie sich nicht täuschen. Auch die Lage dieser Leiche wurde genauestens arrangiert. Und der Täter war sicher, dass er bei seiner Arbeit nicht geschnappt würde.«
»Überheblicher Drecksack«, murmelte Havers.
»Ja. Er ist stolz auf das, was er zustande gebracht hat. Ich nehme an, er ist sogar jetzt hier irgendwo in der Nähe, beobachtet all die Aktivitäten, die er provoziert hat, und genießt jede Minute.«
Lynley fragte: »Wie deuten Sie den fehlenden Schnitt? Die Tatsache, dass die Stirn nicht gezeichnet wurde? Können wir daraus schließen, dass er jetzt aufhört?«
Robson schüttelte den Kopf. »Ich denke, der fehlende Schnitt bedeutet lediglich, dass dieser Mord für ihn anders war als die vorherigen.«
»Anders inwiefern?«
»Superintendent Lynley?« Es war Hogarth, der das Umbetten der Leiche aus dem Auto auf die Bahre überwacht hatte. Ehe der Leichensack geschlossen wurde, hatte er die Aktion gestoppt. »Ich glaube, das sollten Sie sich ansehen.«
Sie gingen zu ihm hinüber. Er wies auf die Körpermitte des Jungen. Was durch seine angewinkelte Haltung im Wageninneren verborgen gewesen war, wurde nun, da er ausgestreckt lag, sichtbar: War der Einschnitt vom Brustbein bis zum Nabel bei diesem Opfer tatsächlich nicht vorgenommen, so war der Nabel selbst sehr wohl entfernt worden. Der Killer hatte wieder ein Souvenir behalten.
Dass dies posthum geschehen war, bewies die geringe Blutmenge in der Wunde. Und dass er es im Zorn oder möglicherweise in Hast getan hatte, bewies der Schnitt am Bauch. Er war tief und ungleichmäßig und hatte den Zugang zum Nabel geöffnet, der dann mit einem scherenartigen Werkzeug herausgeschnitten worden war.
»Souvenir«, sagte Lynley.
»Psychopath«, fügte Robson hinzu. »Ich schlage vor, dass Sie alle bisherigen Tatorte überwachen lassen, Superintendent. Es ist wahrscheinlich, dass er an irgendeinen davon zurückkehrt.«
8
Fu hielt das Reliquiar behutsam. Er trug es vor sich her wie ein Priester den Kelch und stellte es auf den Tisch. Vorsichtig nahm er den Deckel ab. Ein leicht fauliger Geruch stieg auf, doch er stellte fest, dass ihn das bei weitem nicht so störte wie zu Anfang. Der Geruch der Verwesung würde bald nachlassen. Doch das Errungene hatte ewig Bestand.
Zufrieden blickte Fu auf die Reliquien hinab. Jetzt waren es zwei, und sie lagen dort eingebettet wie Muscheln in einer Regenwolke. Bei dem leichtesten Schütteln verschluckte die Wolke sie, und das war das Wunderbare an der Stelle, wo er sie deponiert hatte. Die Reliquien waren fort, und doch waren sie noch da, wie etwas, das im Altar einer Kirche verborgen lag. Das Reliquiar ehrfurchtsvoll von einer Stelle zur anderen zu tragen, das war tatsächlich fast so, als befinde man sich in einer Kirche, nur ohne die gesellschaftlichen Zwänge, die der Kirchgang den Gemeindemitgliedern auferlegte.
Setz dich gerade hin. Hör auf zu zappeln. Brauchst du eine Lektion in gutem Benehmen? Du kniest dich gefälligst hin, wenn man es dir sagt, Junge. Falte die Hände. Gott verflucht. Bete.
Fu blinzelte. Die Stimme. Fern und gleichzeitig präsent, sagte sie ihm, dass eine Made in seinen Kopf geschlüpft war. Sie war durch sein Ohr eingedrungen und weiter zu seinem Hirn gekrochen. Er war unachtsam gewesen, und der Gedanke an den Kirchgang hatte ihr Einlass gewährt. Anfangs ein hässliches Kichern, dann lautes Gelächter, dann der Nachhall von bete, bete und bete.
Suchst du dir endlich Arbeit? Was willst du schon finden, du Vollidiot. Und du gehst mir aus dem Weg, Charlene, oder willst du selbst eine Abreibung?
Es war ein ewiges Lamento, ein ewiges Gebrüll. Manchmal hielt es stundenlang an. Er dachte, er sei den Wurm endlich losgeworden, aber er hatte den Fehler gemacht, an die Kirche zu denken.
Ich will dich nicht mehr im Haus haben, hörst du? Von mir aus kannst du unter der Brücke schlafen. Oder fehlt dir dafür der Mumm?
Du hast sie dorthin getrieben, verflucht sollst du sein. Du hast ihr den Rest gegeben.
Fu kniff die Augen zu. Blind streckte er die Hände aus. Seine Finger ertasteten Knöpfe. Er drückte sie wahllos, bis Lärm aufbrandete.
Er fand sich vor dem Fernseher wieder, wo ein Bild langsam an Schärfe gewann, während die Stimme der Made verhallte. Es dauerte einen Moment, ehe er begriff, was er sah. Es waren die Morgennachrichten, die ihm
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