13 - Wo kein Zeuge ist
entgegendröhnten.
Fu starrte auf den Bildschirm. Eine Reporterin mit windzerzaustem Haar stand vor einer Polizeiabsperrung. Hinter ihr gähnte die schwarze Öffnung des Shand-Street-Tunnels wie das Tor zum Hades, und tief im Innern der pisseverseuchten Höhle erhellten Polizeischeinwerfer das hintere Ende des ausrangierten Mazda.
Fu entspannte sich bei der Betrachtung des Autos, erleichtert, erleichtert. Es war ein Jammer, dass die Absperrung am Südende des Tunnels errichtet worden war, fand er. Von hier aus konnte man die Leiche nicht sehen. Und dabei hatte er sich doch solche Mühe gemacht, die Botschaft deutlich rüberzubringen: Der Junge hat sein eigenes Schicksal besiegelt, versteht ihr das nicht? Nicht zu der Strafe hatte er sich selbst verurteilt - er hatte nie eine reelle Chance, ihr zu entgehen -, aber um die Erlösung hatte er sich gebracht. Bis zum Ende hatte der Junge beteuert und geleugnet.
Fu hatte erwartet, nach dieser Nacht mit einem Gefühl der Unruhe zu erwachen, weil der Junge sich geweigert hatte, seine Schande einzugestehen. Sicher, er hatte kein solches Gefühl empfunden in dem Moment, als der Junge starb, er hatte vielmehr eine Lockerung des Schraubstocks verspürt, der sein Hirn mit jedem Tag, der verging, fester gepackt hielt. Doch er hatte angenommen, dass die Unruhe ihn später überkommen würde, wenn Klarheit und Aufrichtigkeit ihn zwangen, die Wahl seiner Zielperson kritisch zu betrachten. Beim Aufwachen hatte er indes nichts verspürt, was auch nur entfernt mit Unruhe zu tun hatte. Vielmehr hatte ihn bis zum Auftauchen der Made ein Gefühl des Wohlbefindens durchdrungen wie die Sättigung nach einem guten Essen.
»... gibt zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Informationen«, sagte die Reporterin mit ernster Miene. »Wir wissen, dass eine Leiche gefunden wurde. Wir haben gehört - und lassen Sie mich dies betonen: wir haben lediglich gehört und noch keine offizielle Bestätigung -, dass es sich um die Leiche eines Jungen handelt, und uns wurde gesagt, dass Beamte der Sonderkommission von Scotland Yard eingetroffen sind, die auch bei dem Mord in St. George's Gardens ermitteln. Aber ob dieser neue Fall mit den früheren Morden in Zusammenhang steht ... Wir müssen auf weitere Informationen warten.«
Während sie sprach, kamen mehrere Personen aus dem Tunnel hinter ihr, die wie Polizeibeamte in Zivil aussahen. Eine dickliche Frau nahm Befehle von einem blonden Beamten entgegen, der einen Mantel trug, der nach altem Geld aussah. Sie nickte und verschwand aus dem Bild, woraufhin ihr Vorgesetzter mit einem Mann in einem senffarbenen Anorak und einem weiteren Mann mit hochgezogenen Schultern in einem verknitterten Regenmantel sprach.
Die Reporterin sagte: »Ich will sehen, ob ich eine Stellungnahme ...«, und sie trat so nah wie möglich an die Absperrung heran. Doch die anderen Journalisten hatten die gleiche Idee, und es folgte ein solches Gedrängel und Stimmengewirr, dass niemand irgendeine Antwort erhielt. Die Cops ignorierten die Meute, aber die Fernsehkamera zoomte trotzdem näher heran. Fu bekam einen guten Blick auf seine Gegner. Die fette Schnecke war verschwunden, aber er hatte Gelegenheit, die Typen in Mantel, Anorak und Regenmantel eingehend zu studieren. Er wusste, dass er ihnen mehr als gewachsen war.
»Fünf hab ich schon, und es geht weiter«, raunte er dem Fernseher zu. »Komm mir nicht in die Quere.«
Vor ihm stand eine Tasse Tee, die er sich nach dem Aufstehen gemacht hatte, und er prostete dem Fernsehgerät damit zu, ehe er sie wieder auf dem Tisch abstellte. Um ihn herum knarrte das Haus, da die Rohre heißes Wasser zu den alten Heizkörpern transportierten, um die Zimmer zu erwärmen, und in dem Knarren hörte er die Ankündigung der unmittelbar bevorstehenden Rückkehr der Made.
Sieh dir das an, würde Fu sagen und auf den Fernseher zeigen, wo die Polizeibeamten über ihn und sein Werk sprachen. Ich hinterlasse die Nachricht, und sie müssen sie lesen. Jeder einzelne Schritt ist in minutiöser Kleinarbeit geplant.
Dann das röchelnde Atmen hinter ihm. Diese unausweichliche Ankündigung der Made. Nicht in seinem Kopf dieses Mal, sondern hier im Zimmer.
Was machst du da, Junge?
Fu musste nicht einmal hinschauen. Er wusste, dass das Hemd wie üblich weiß war, an Manschetten und Kragen abgetragen. Die Hose war dunkelgrau oder braun, die Krawatte makellos geknotet, die Strickjacke zugeknöpft. Die Schuhe ebenso poliert wie die Brille und der runde
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